München – Olaf Scholz (SPD) meldete sich nur via Twitter. „Die China-Strategie gibt unseren Beziehungen einen neuen Rahmen“, schrieb der Kanzler. „Ziel ist es nicht, uns abzukoppeln“ – doch man wolle „kritische Abhängigkeiten künftig vermeiden“. Außenministerin Annalena Baerbock, die das Papier auf einer Veranstaltung des Berliner China-Institut Merics vorstellte, betonte: „Wir wollen die Zusammenarbeit mit China weiter ausbauen, weil wir sie brauchen.“ Sie erwähnte dabei explizit die Wirtschaftskontakte sowie die Zusammenarbeit in der Klimakrise.
Das Strategiepapier bleibt dem zur Sprachregelung gewordenen Dreiklang von China als Partner, Wettbewerber und systemischem Rivalen treu. Baerbock wiederholte, dass der Aspekt der Rivalität „in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten“ sei. China habe sich verändert, „deshalb muss sich auch unsere China-Politik verändern“, so Baerbock.
Außenpolitik und Beziehungen zu China: Mit Sorge betrachtet die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung zu beeinflussen. Zudem ist Pekings Entscheidung, das Verhältnis zu Russland auszubauen, laut dem Papier für Deutschland von unmittelbarer sicherheitspolitischer Bedeutung. Als Antwort auf die geopolitischen Herausforderungen durch China sieht die Strategie die „aktive Pflege der deutschen außen- und außenwirtschaftspolitischen Beziehungen“ zu möglichst vielen anderen Staaten vor.
Wirtschaft: „De-Risking ist das Gebot der Stunde“, betonte Baerbock und benannte damit den Kern der künftigen Wirtschaftspolitik. Doch der Text enthält zugleich ein Bekenntnis: „An der wirtschaftlichen Verflechtung mit China wollen wir festhalten.“ Deutschland wolle gemeinsam mit der EU die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China stärken; der EU-Binnenmarkt, auf den auch China angewiesen sei, sei dabei „unser schlagkräftigstes Instrument“, sagte Baerbock.
Rolle der Unternehmen: Die Regierung gibt Firmen weiter freie Hand, wie sie ihr Engagement in der Volksrepublik gestalten. Doch werde es auf Dauer nicht funktionieren, „in guten Zeiten auf die unsichtbare Hand des Marktes zu vertrauen und in schwierigen und Krisenzeiten nach dem starken Arm des Staates zu verlangen“.
Taiwan: Deutschland fühlt sich weiter der Ein-China-Politik verpflichtet. Die „guten Beziehungen“ zu Taiwan sollen dennoch ausgebaut werden. Dessen Konflikt mit China, das den Inselstaat als abtrünnige Provinz betrachtet, könne nur friedlich und in beiderseitigem Einvernehmen gelöst werden.
Menschenrechte: Das Dokument lobt Chinas Erfolge bei der Reduzierung der Armut. Doch die Kritik folgt auf dem Fuße: „Dem wachsenden Wohlstand und den Erfolgen bei der Armutsbekämpfung in China stehen Rückschritte bei bürgerlichen und politischen Rechten gegenüber“, etwa in Xinjiang, Hongkong und Tibet.
Klimaschutz: Zwar stoße die Volksrepublik fast ein Drittel der weltweiten Treibhausgase aus und baue weiter Kohlekraftwerke. „Doch China hat die gigantischen Chancen der Energiewende nicht nur erkannt, sondern nutzt sie in rasantem Tempo“, so Baerbock. „Wir sehen hier ein zentrales Feld der Zusammenarbeit mit China“, heißt es in der Strategie.
Die Ampel-Regierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, eine Strategie zu entwickeln, die Leitlinien liefern soll für den Umgang mit der neuen, autoritär regierten Großmacht China. Doch Ukraine-Krieg und Energiekrise hatten das Projekt aufgehalten.
Peking zeigte sich verärgert. „China ist Deutschlands Partner in der Bewältigung von Herausforderungen und kein Gegner“, hieß es am Donnerstagabend in einer ersten Reaktion auf der Internetseite der chinesischen Botschaft in Berlin. Man hoffe, dass die deutsche Seite die Entwicklung Chinas „rational, umfassend und objektiv“ betrachte. Interessant wird, wie die einzelnen Bundesministerien die neuen Leitlinien umsetzen werden. Dann wird sich zeigen, ob sich das lange Warten auf die 64 Seiten Strategiepapier gelohnt hat.