Berlin/Stuttgart – Der designierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht seine Partei als Sprachrohr der leisen, bürgerlichen Mehrheit. Er selbst startete am Wochenende allerdings gar nicht leise in seine neue Aufgabe, sondern mit klaren Ansagen, die manche in der CDU aufhorchen lassen. Bei einer Regierungsbeteiligung seiner Partei kündigte Linnemann eine Überarbeitung des Bürgergeldes an.
„Wer nicht arbeiten kann, braucht die volle Unterstützung vom Staat“, sagte er der „Bild am Sonntag.“ Doch wer arbeiten könne und Bürgergeld beziehe, müsse auch eine Arbeit annehmen. „Sonst kann er keine Hilfe vom Staat erwarten. Deswegen werden wir uns, wenn wir an die Regierung kommen, das Bürgergeld vornehmen.“ Schon der Begriff führe in die Irre, meinte Linnemann. „Bürgergeld klingt so, als ob diese Leistung aus Steuergeld jedem Bürger zusteht. Das müssen wir ändern.“
Die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 eingeführt – es löste das bisherige Hartz-IV-System ab. Das Bürgergeld ist eine zentrale sozialpolitische Reform der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Linnemann sagte weiter: „Es gibt in Deutschland eine leise, aber klare bürgerliche Mehrheit, die sich an Regeln hält, die morgens arbeiten geht und sich abends im Sport- oder Musikverein engagiert.“ Für diese Menschen da zu sein, sollte nach seinen Worten für die CDU allerhöchste Priorität haben. Der Ampel-Regierung warf er vor, Entscheidungen an den Menschen vorbei zu treffen. Er sagte: „Oft schreit die Minderheit so laut, dass die Mehrheit denkt, sie sei in der Minderheit.“
Nach wiederholter Gewalt in Berliner Freibädern hat Linnemann zudem die konsequente Bestrafung von Gewalttätern noch am Tattag gefordert. „Es braucht Schnellverfahren gegen Gewalttäter, das Justizsystem muss entsprechend organisiert werden.“ Wer mittags im Freibad Menschen angreife, müsse abends vor dem Richter stehen und abgeurteilt werden. „Auch am Wochenende.“
Nachdem CDU-Chef Friedrich Merz mit Linnemann einen Wirtschaftsliberalen zum designierten Generalsekretär gemacht hat, pocht jetzt der Sozialflügel auf mehr Einfluss in der Parteispitze. Der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, solle Linnemanns Nachfolger als Parteivize werden, forderte CDA-Vizechef Christian Bäumler.
Bäumler machte gleichzeitig CDU-Programmchef Linnemann, der erst vor einigen Tagen auch zum Generalsekretär berufen wurde, für die „Misere der CDU“ mitverantwortlich. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die CDU kann Wahlen nur mit den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gewinnen und nicht gegen sie.“ Bäumler kritisierte Linnemanns Forderungen, auch ein Renteneintrittsalter von 72 Jahren nicht auszuschließen und Arbeitslose zur Annahme von Jobangeboten zu verpflichten.
Linnemann ist einer von fünf Stellvertretern von CDU-Chef Merz – wenn er im Mai 2024 zum Generalsekretär gewählt wird, muss jemand auf diesen Platz nachrücken. Mit Merz und Linnemann stehen bereits zwei Männer aus NRW an der Parteispitze, Laumann wäre dann der dritte.