Berlin – Der Gesuchte wurde zuletzt vor drei Wochen gesehen. Jener 25. Juni war für Qin Gang, Chinas Außenminister, ein Tag voller Termine. Zunächst traf er seinen Amtskollegen aus Sri Lanka, danach den stellvertretenden Außenminister Russlands. Später am Tag dann kam Qin zu Gesprächen mit dem vietnamesischen Außenminister zusammen. So kann man es auf der Seite des chinesischen Außenministeriums nachlesen.
Seit jenem Sonntag vor drei Wochen aber herrscht Funkstille. Keine Treffen mehr mit ausländischen Spitzendiplomaten, keine Fotos mehr, nichts. Qin, verheiratet und Vater eines Jungen, ist wie vom Erdboden verschluckt. Als US-Finanzministerin Janet Yellen Anfang Juli zu viertägigen Gesprächen in Peking eintraf, fand zwar Chinas Premierminister Li Qiang Zeit für den Gast aus Washington; Außenminister Qin aber glänzte durch Abwesenheit. Zudem sagte China ein Treffen von Qin mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ab, nur wenige Tage vor dem geplanten Abflug des Spaniers. Gründe nannte Peking nicht.
Am 11. Juli verkündete das chinesische Außenministerium dann, dass Qin auch das Treffen der Außenminister der Asean-Gruppe in Jakarta verpassen werde – „aus gesundheitlichen Gründen“, wie ein Sprecher erklärte.
Ist der 57-Jährige also einfach nur krank? Medien aus Hongkong jedenfalls berichteten zuletzt von einer angeblichen Covid-Erkrankung des Außenministers. Was freilich die Frage aufwirft, warum sich Chinas Außenministerium tagelang in Schweigen hüllte über Qins Befinden und sogar in Kauf nahm, die EU mit der kurzfristigen Absage des Borrell-Besuchs zu verärgern. Für eine Erkrankung des Außenministers hätte man in Brüssel sicher Verständnis gehabt, mehr jedenfalls als für eine kommentarlose Ausladung des europäischen Spitzendiplomaten. Zumal Borrell seinerseits bereits im April wegen einer Covid-Infektion eine Peking-Reise absagen musste.
Am vergangenen Wochenende nun nahm die Posse um Chinas Außenminister eine neue, unerwartete Wendung. „Außereheliche Affäre steckt hinter der Abwesenheit des chinesischen Ministers Qin“, titelte am Samstag die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News unter Berufung auf Medienberichte aus Taiwan.
Demnach wurde Qin Ende vergangenen Jahres Vater eines unehelichen Kindes, die Kommunistische Partei untersuche den Fall derzeit. Bei der Mutter des Jungen soll es sich um Fu Xiaotian handeln, eine Journalistin des chinesischen Fernsehsenders Phoenix TV. Fu hatte Qin im März 2022 zu einem Interview getroffen, als der heutige Außenminister noch Botschafter in Washington war. Später machte die Journalistin mehrfach Andeutungen, die nahelegen, dass Qin der Vater ihres neugeborenen Sohnes sei. Seit einigen Tagen kursieren vermehrt Fotos und Videos des angeblichen Paares in den Sozialen Medien. Heikel: Der Junge soll in den USA zur Welt gekommen sein und deshalb die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen. Peinlich für einen chinesischen Außenminister, der immer wieder mit antiamerikanischen Ausfällen von sich reden macht.
Ungewöhnlich wäre es jedenfalls nicht, dass sich ein chinesischer Spitzenbeamter eine Geliebte leistet. Vor allem ab den 90er-Jahren, als Chinas Wirtschaft boomte und das Land reich wurde, machten Geschichten wie jene über einen Parteibeamten aus der Provinz Jiangsu Schlagzeilen, der 146 Geliebte gehabt haben soll. In der südchinesischen Wirtschaftsmetropole Shenzhen soll es seinerzeit gar ein ganzes Stadtviertel voller Mätressen gegeben haben – 50 000 Frauen lebten damals angeblich in diesem „Dorf der Konkubinen“. Xi Jinpings beispiellose Antikorruptionskampagne setzte dem Treiben ab 2012 schließlich weitgehend ein Ende. Weltweit Schlagzeilen machte zuletzt 2021 der Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, die eine Affäre mit einem ehemaligen chinesischen Vize-Ministerpräsidenten öffentlich gemacht hatte und anschließend wochenlang aus der Öffentlichkeit verschwand.
Auf die Gerüchte zu Qin Gang angesprochen, gab sich Chinas Außenamt bedeckt. Von einer Sprecherin hieß es am Montag lediglich, sie könne derzeit „keine Informationen anbieten“.