Tunesien und die Migration

Dieser Deal ist hässlich, aber nötig

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Ja, das ist ein hässlicher Deal mit Tunesien. Europa steckt einem halbdemokratischen, bankrotten Regime rund eine Milliarde Euro zu, damit es fortan endlich seine Grenzen schützt. Das riecht. Doch alle Naserümpfer sollten wissen: Noch übler als dieses Abkommen ist, kein Abkommen zu haben, also die asozialen Schleuser gewähren und Zigtausende im Mittelmeer ertrinken zu lassen.

So ist die Realität der Migrationspolitik: Wir verhandeln mit zweifelhaften Regierungen der Herkunfts- und Transitländer. Das hat Europa gelernt beim auch nicht schönen, aber phasenweise effektiven Türkei-Deal. Der Fall Tunesien ist komplizierter, auch geografisch: Wenn das kleine Land seine Transitroute schließt, werden Ausweichwege in Nordafrika entstehen. Es gibt ja schon Berichte, wie das tunesische Regime Flüchtlinge in Nachbarländer prügeln lässt. Auch hier muss Europa Lösungen verhandeln (was im Fall des zerbrochenen Libyen noch spannend wird). Ziel muss sein, möglichst wenig Migranten ohne Asylanspruch – das trifft auf fast alle afrikanischen Herkunftsstaaten zu – bis zur Küste durchkommen zu lassen. Und jene, die aus dem Meer gerettet werden, ans nahe nordafrikanische Ufer zurückzubringen, statt den Rest der Schleusung nach Europa zu übernehmen.

Man mag das „Abschotten“ nennen. Oder ein Fokussieren der Hilfe auf Menschen mit Asylanspruch. Auf jeden Fall ist das verantwortungsethisch alternativlos, solange die Rückführungen nicht funktionieren. Noch etwas sollte den Regierungen in Brüssel, Berlin und auch München zu denken geben: Zu diesem Deal hat enorm viel Italiens Ministerpräsidentin Meloni beigetragen. Sie für politisch aussätzig zu erklären, aber sich beim Lösen einer der großen Krisen des Kontinents stillschweigend auf sie zu verlassen – das ist, gelinde gesagt, nicht ehrlich.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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