Jetzt, da sich die Berliner Politik abgesehen von einigen reisefreudigen Ministern (Habeck in Indien, Baerbock in New York) in die Sommerpause verabschiedet hat, lässt eine Personalie besonders aufhorchen: Carola Rackete, 2019 als Kapitänin des Rettungsschiffes „Sea Watch“ bekannt geworden, tritt für die Linke als Spitzenkandidatin zur Europawahl an. Die linke Presse jubelt, nach Monaten der Selbstbespiegelung käme Schwung in den Laden.
Ist das so? Tatsächlich symbolisiert die Kandidatur der prominenten Flüchtlingsaktivistin doch eher die Spaltung der Partei. Sie ist ein Frontalangriff auf die Grünen in den Innenstädten, wo auch noch die Jusos der SPD um die – zumindest in Bezug auf die Gesamtbevölkerung – doch eher kleine Gruppe im studentisch-akademischen Milieu kämpfen, für das Veganismus, Klimaschutz, Gendern und Flüchtlingshilfe die zentralen Themen sind.
Mit der Kernwählerschaft der Linken hat das nur am Rande zu tun. Lange war die Partei die Stimme der ländlichen Räume in Ostdeutschland. Im Westen – man hat es fast vergessen – dominierten frustrierte Gewerkschafter und ehemalige Sozialdemokraten, die mit der Agenda-Politik haderten. All diese finden sich heute eher bei Sahra Wagenknecht wieder, auch wenn diese mit ihrer Parteigründung zögert. Die Linke aber dürfte mit der Kandidatin Rackete zwar viel Aufmerksamkeit bekommen, doch keinen Siegeszug starten. Ärgerlich ist die Kandidatur nur für die Grünen, denen sie sicher wichtige Stimmen klaut.
Mike.Schier@ovb.net