CDU fordert radikale Asylreform

von Redaktion

VON A. MISSAL, J. BLANK, A.-B. CLASMANN, S. HEINEMEYER

Berlin – Thorsten Frei will das Individualrecht auf Asyl abschaffen: Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion fordert einen Systemwechsel in der Migrationspolitik. Das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, solle durch eine sogenannte „Institutsgarantie“ ersetzt werden, schrieb der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für die „FAZ“. Konkret schlug er vor, jährlich ein Kontingent von 300 000 oder 400 000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufzunehmen und dann innerhalb Europas zu verteilen. Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre dann nicht mehr möglich und der Bezug von Sozialleistungen „ausgeschlossen“.

Sein Vorstoß stieß bei Politikern der SPD, der Linken, der FDP und der Grünen auf massive Kritik. „Der Vorschlag von Thorsten Frei ist realitätsfremd und geht ins Leere, da er illegale Migration nicht stoppen wird“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Besser sei eine Bekämpfung von Fluchtursachen. Das individuelle Recht auf Asyl sei „eine wichtige humanitäre Errungenschaft, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg dort installiert haben.Offensichtlich sind wir schon im Sommerloch“, spottete die Außenministerin Annalena Baerbock.

Frei argumentierte: Theoretisch hätten derzeit 35 Millionen Afghanen das Recht, in Deutschland aufgenommen zu werden. „Damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden.“ Diese Auswahl sei aber „zutiefst inhuman“. Wer alt, zu schwach, zu arm oder zu krank sei, habe keine Chance, nach Europa zu gelangen. Vor allem Frauen und Kinder würden benachteiligt.

„Warum es unmenschlich sein soll, dass jemand erst mal vorträgt, warum er Schutz braucht, das geht mir nicht in den Kopf“, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Man müsse sich auf die Unterstützung der Kommunen bei der dauerhaften Versorgung und Integrationsarbeit fokussieren. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, es sei ein richtiger Schritt, dass auf europäischer Ebene das Gemeinsame Europäische Asylsystem reformiert werde. „Es wäre gut, wenn die CDU mit Ernsthaftigkeit diese Bemühungen unterstützen würde.“

Die EU plant eine weitreichende Asylreform, um die allerdings noch gerungen wird. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um die irreguläre Migration zu begrenzen – insbesondere aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Beispielsweise soll bereits an den EU-Außengrenzen geschaut werden, wer wenig Aussicht auf Asyl hat. Diese Menschen sollen gegebenenfalls direkt zurückgeschickt werden. In Deutschland haben im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 150 000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt – deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum.

Frei räumte in seinem Gastbeitrag ein, dass für die von ihm vorgeschlagene Reform „enorme politische Hürden“ zu überwinden wären. Er schrieb: „Aber wenn wir sie nicht überwinden, führt die Überforderung unserer Gesellschaften zur Zerstörung dessen, was das Asylrecht gewähren will: ein Europa als Zufluchtsort für schutzbedürftige Menschen.“

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