Bürger hadern mit ihrem Rechtsstaat

Zwischen Klima-Klebern und Freibad-Rambos

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte seine Forderung nach Schnellverfahren für Freibad-Rambos kaum ausgesprochen, da überschlugen sich die Dauer-Entrüsteten schon wieder vor Empörung. „Populistischer Scheiß“, „Gewalt gegen die Verfassung“, dazu das bekannte „Strafe allein schreckt nicht ab“-Gerede. Keine Polizei, keine Richter, keine Lust – die üblichen Ausreden eben, wenn die Politik partout nicht handeln will, wo sie handeln soll. Wie 2015, als die damalige Kanzlerin trotz täglich tausendfacher illegaler Grenzübertritte im TV lapidar erklärte, sie könne die Grenzen nicht schützen.

So leicht darf Politik es sich nicht machen. Dass sogar drei Viertel der Grünenwähler laut Umfragen Linnemanns Vorschlag gut finden, zeigt das Bedürfnis nach einem Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger schützt (dafür zahlen diese schließlich hohe Steuern) und Randale und Gewalt unterbindet, sei es im Berliner Freibad oder anderswo. Wenn es für beschleunigte Verfahren eine Ergänzung der gesetzlichen Grundlagen bedarf, dann bitte. Es kann nicht sein, dass Frauen, Schwule oder Juden sich nicht mehr ins Freibad oder nachts in die Innenstadt trauen, weil dort wild gewordene Machos ihr Gesetz durchsetzen.

Der Rechtsstaat darf sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen, von niemandem – nicht von Freibad-Rambos, aber auch nicht von fanatischen Klimaschützern, oft aus begütertem Haus, die sich am anderen Ende des sozialen Spektrums ebenso wenig um Regeln scheren, Mitbürger drangsalieren und dafür zu oft mit symbolischen Strafen davonkommen. Wer mag es den Menschen verdenken, wenn sie sich hin und her geschubst fühlen und mit dem als zahnlos empfundenen Rechtsstaat hadern? Das rechtfertigt noch lange keine Selbstjustiz. Aber Politiker sollten hellhörig werden, wenn immer öfter ganz normale Menschen entnervt zur Selbsthilfe greifen.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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