Der CSU-Kampf gegen den Frust

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Andechs – Markus Söder steht in der Sonne vor der Klosterkirche und hebt an zu einem salbungsvollen Satz. „Wir wollen, dass Bayern so bleibt“, sagt er, „auch in veränderten Zeiten.“ In diesem Moment setzt zufällig das mittägliche Glockengeläut ein auf dem Heiligen Berg in Andechs. Könnte es besser laufen für die CSU?

Nun ja, der schöne Schein des Moments ist etwas trügerisch. Zum Start der Klausur der Bundestagsabgeordneten im idyllischsten Oberbayern versammelt sich eine verunsicherte Partei in Andechs. In Berlin ist sie seit Ende 2021 in der Opposition. Die regierende Ampel wird zwar als zerstritten wahrgenommen, ist in Umfragen gefleddert, davon profitieren aber weder Union im Bund noch CSU in Bayern. Statt dessen erreicht die AfD Bestwerte – teils über 30 Prozent im Osten, stabil 12 bis 14 fast überall im Westen, dazu noch der Ärger um die Aiwanger-Freien-Wähler in Bayern. „Viele sind so gefrustet“, sagt Söder, „dass sie beginnen, die Systemfrage mit zu stellen“.

In Andechs legt die CSU Gegenrezepte vor. Im Kern: sich voll um die Sorgen der normalen Leute kümmern, Angst und Frust lindern. Als CSU-Chef, der selbst nicht Teil der Berliner Landesgruppe ist, überstrahlt Söder den Start der Klausur mit der Forderung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf null zu setzen. „Die Leute dürfen nicht Angst haben: Kann ich mir das Essen noch leisten“, sagt er. Um bis zu 1000 Euro werde so ein normaler Haushalt pro Jahr entlastet, den Bund würde das zwölf Milliarden kosten. Söder lässt – Gruß an die Grünen – dazu fallen, das müsse „nicht nur für Gemüse, nicht nur für Bio, sondern auch für Fleisch, für Fisch, für Milch“ gelten.

Punkt zwei der Kleine-Leute-Offensive hat Landesgruppenchef Alexander Dobrindt entwickelt: Die Erbschaftsteuer fürs Elternhaus (oder die Wohnung) auf null setzen, wenn es weitere zehn Jahre nicht verkauft wird.

Als dritten Schwerpunkt geht die CSU nun offensiver das Thema Migration an. Es bleibt zwar beim Bekenntnis zur Hilfe für Asylberechtigte und zur Fachkräfte-Zuwanderung, es bleibt auch bei zurückhaltender Wortwahl. Doch Söder stellt sich nun klar gegen die Bürgergeld-Zahlung an Flüchtlinge und prangert Ungerechtigkeiten gegenüber der hiesigen Bevölkerung an: „Wer einbezahlt hat, muss mehr bekommen.“ Das gelte auch für die medizinische Betreuung.

Auf abstrakte Grundsatzdebatten über das Asylrecht mag sich die CSU-Spitze nicht einlassen. Der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei hatte das angestoßen. Er will das individuelle Recht auf Asyl abschaffen und durch europäische Aufnahme-Kontingente von 300 000 bis 400 000 Flüchtlingen ersetzen. Dauert viel zu lange, fürchten Söder und Dobrindt. Sie wollen wohl auch nicht als Kaltherzen dastehen, die das Asylrecht insgesamt antasten.

Insgesamt stellt sich die CSU aber hinter den Plan auf EU-Ebene, Asylverfahren an der Außengrenze ablaufen zu lassen und Abkommen mit Transit-Staaten wie Tunesien zu schließen. Von der Bundesregierung verlangt die CSU da mehr Einsatz; ohne zu thematisieren, dass unter Bundesinnenminister Horst Seehofer da nichts voranging.

Hier liegt wohl auch der Pferdefuß der schwarzen Pläne: Weil sie in Berlin erstmals seit 16 Jahren nicht mehr mitregiert, kann die CSU nur fordern, nicht umsetzen.

Friedrich Merz, der CDU-Chef, stößt am Nachmittag zur CSU-Klausur. Er stellt sich hinter die wesentlichen Pläne der kleinen Schwesterpartei, „durchaus erwägenswert“, sagt er jedenfalls, und kündigt dafür auch einen Finanzierungsvorschlag an.

Auffällig: Nebendebatten will die CSU meiden. Dobrindt betont die Harmonie mit der CDU. Und Söder verneint die Frage nach einer Kanzlerkandidatur genervt. „Ich glaube, dass ich das um die 243 Mal gesagt habe.“ In diesem Moment setzt allerdings kein Glockengeläut ein.

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