Seit drei Jahren ist Jan Marsalek als Hauptverdächtiger im Wirecard-Betrugsskandal untergetaucht. Nicht einmal, ob er überhaupt noch lebt, wusste man zuletzt. Jetzt hat er sich spektakulär zu Wort gemeldet über ein Schreiben seines Münchner Rechtsanwalts. Menschen, die den Brief gelesen haben, halten ihn für authentisch. Aus ihm spreche Marsalek. Ob auch stimmt, was er zu sagen hat, ist freilich eine andere Frage.
Misstrauisch macht, dass sich mit dem 43-jährigen ein Flüchtiger meldet, der bislang alles getan hat, um unsichtbar zu bleiben. Zweitens spricht er nicht in eigener Sache zu seiner Schuld oder Unschuld. Er will sich auch nicht stellen. Was aber ist dann die Motivation des Briefeschreibers? Er lässt mitteilen, dass, anders als die Staatsanwaltschaft es glaubt, milliardenschwere TPA-Geschäfte in Asien doch existiert haben. Gelder, die auch in dieser Version Marsaleks Bande geraubt haben müsste.
Nichts erklärt, was der genialische Betrüger mit seiner Wortmeldung bezwecken will. Höhnt er nur aus seinem unbekannten Exil, umgeben von geraubten Milliarden? Will er in einem Anfall von Läuterung plötzlich der Wahrheit Genüge tun? Oder kommt sein Brief nicht ganz zufällig zu einem Zeitpunkt, wo die Verteidigung des Hauptangeklagten Markus Braun besonders energisch bemüht ist, diesen als Opfer und nicht als Täter dazustellen?
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