München – Die Grünen haben es im Moment wirklich nicht leicht, aber Parteichef Omid Nouripour ist an diesem Vormittag trotzdem gut drauf. Beim Redaktionsbesuch spricht der 48-Jährige über eigene Fehler, romantische Momente in der Ampel, die Bayern-Wahl – und eine mögliche grüne Innenministerin für den Freistaat.
Herr Nouripour, Markus Söder findet, von allen Parteien verbreiteten die Grünen die mieseste Stimmung. Sind sie die eigentliche Schlechte-Laune-Partei?
Das ist lustig. Wenn ich mich recht entsinne, war es Markus Söder, der erzählt hat, es würde Blackouts geben und der Wutwinter würde uns alle auffressen. Nichts davon ist passiert, wir haben das alles gut in den Griff bekommen. Ich kann jedem nur empfehlen, unser Land nicht schlechtzureden.
Für die CSU sind die Grünen der Hauptgegner bei der Landtagswahl, eine Koalition schließt Söder aus…
Ist das nicht der Markus Söder, der als Umweltminister unbedingt aus der Atomkraft und dem Verbrennungsmotor aussteigen wollte und nun überall das Gegenteil fordert? Ich kenne niemand anderen, der einen so kleinen Wendekreis hat wie ein Bobby Car. Warten wir doch ab, bis er seine Meinung wieder ändert.
Sie wollen also mit der CSU regieren?
Wir wollen vor allem, dass Bayern ein attraktiver Standort für Unternehmen bleibt, dass hier auch in Zukunft gute Arbeitsplätze entstehen. Die CSU hat es versäumt, wichtige Weichen zu stellen, und setzt damit viel aufs Spiel. Wenn Mehrheiten jenseits der CSU möglich sind: gern. Falls nicht, dann denke ich, es würde auch Markus Söder guttun, mit einer Partei zu koalieren, die tatsächlich gut regieren will und nicht nur Reden schwingt. Wer weiß, wenn er ein wenig aus dem Wahlkampfmodus kommt, wenn nicht nur die Parole, sondern die Machbarkeit gilt, kann man sicher reden.
Wie sollte Kompromissfindung mit der CSU gehen, wenn es schon in der Berliner Ampel so mühsam ist?
Kompromisse sind Wesenskern der Demokratie. Geradeaus gesagt: Ich bin nicht unzufrieden mit dem, was wir in der Bundesregierung hinkriegen. Unzufrieden bin ich mit der Art, wie wir das auf offener Bühne zerreden. In anderen Koalitionen wie der Ampel in Rheinland-Pfalz oder auch bei Schwarz-Grün in Hessen läuft das sehr viel leiser.
Wissen Sie eigentlich, wer aus der Ampel das Heizgesetz durchgestochen hat?
Das ist doch egal. Lassen Sie mich lieber drei Sätze zum Gesetz sagen. Wer eine Heizung hat, die funktioniert: bitte weiterlaufen lassen. Wer eine Heizung hat, die kaputt geht: bitte schauen, ob sie repariert werden kann. Wenn das nicht mehr geht und das Geld nicht reicht, gibt es Förderprogramme und Kreditmöglichkeiten. Wir lassen niemanden zurück.
Wenn die Grünen das von Anfang an so kommuniziert hätten, hätten sie sich viel Ärger erspart.
Wir machen es künftig besser.
Noch so ein Drama hielte die Ampel wohl kaum aus. Wie stabil ist sie noch?
Stabil. Es mag überraschen, wenn ich das sage, aber es gab viele Momente in den letzten eineinhalb Jahren, in denen echtes Vertrauen zwischen uns allen gewachsen ist. Die Idee zum 9-Euro-Ticket entstand um 4 Uhr morgens, so was schweißt zusammen.
Von so romantischen Momenten hat man draußen wenig mitbekommen.
(lacht) Erzählen Sie der Öffentlichkeit all Ihre romantischen Momente?
Sie sprechen dieser Tage viel über innere Sicherheit. Was können die Grünen bei dem Thema von der CSU lernen?
Wir sind da gut aufgestellt. Aber vielleicht doch eines: beherzter zuzugreifen, wenn es um das Innenministerium geht. Wir hatten noch nie jemanden an der Spitze eines Innenministeriums sitzen. Ich hoffe, dass wir das im Herbst ändern können.
Sie meinen in Hessen…
Nein. Unsere bayerische Spitzenkandidatin Katharina Schulze ist eine ausgewiesene Expertin in diesem Bereich. Sie könnte nicht nur Ministerpräsidentin…
Sondern auch Innenministerin? Mit dem Vorschlag bereiten Sie Markus Söder schlaflose Nächte…
Ist er echt so sensibel? Im Ernst: Ich mache mir Sorgen, dass man in Bayern bei der inneren Sicherheit alles so belässt, wie es ist. Es ist eben nicht alles gut.
Wir glauben eher, die Grünen wollen alles so lassen, wie es ist. Sie tun sich ja teils schon schwer, ein Problem wie Clan-Kriminalität überhaupt zu benennen.
Das ist eine Frage der Definition. Wenn Familien fest verankert sind in kriminellen Strukturen, kann man das Clan-Kriminalität nennen. Dann reden wir über bestimmte Verbindungen in Berlin-Neukölln, aber auch über die italienische Mafia, die ‘Ndrangheta, die in Bayern übrigens viel zu viel Freiraum hat. Auch bei der Vollstreckung von Haftbefehlen ist Bayern sicher nicht Spitze: Bei politisch motivierter Kriminalität ist ein erheblicher Teil der Haftbefehle nicht vollstreckt. Die Frage der Überstunden bei der Polizei ist ein großes Thema. Auch die stationären Grenzkontrollen sind ein Problem.
Bayern ist stolz auf die Kontrollen…
Wenn sich Beamte jedes Auto einzeln anschauen, bindet das Kräfte und die Schleuser umfahren die Kontrollen. Mobile Kontrollen im Hinterland sind viel effektiver, wenn es um illegale Einreisen geht. Und es ist für die Menschen und Unternehmen in der Region nicht hilfreich, wenn sich an der Grenze ewig lange Staus bilden.
Die CSU schlägt vor, Lebensmittel von der Steuer zu befreien. Die Bürger wären sicher dankbar…
Wir sind für jede Diskussion zum Thema Entlastung zu haben. Aber ich wäre dankbar, auch Vorschläge zu hören, wie man das finanziert. Wir müssen jetzt für die Maut-Vergehen von Herrn Söders Parteifreund Andi Scheuer eine Viertelmilliarde Euro Strafe zahlen. Das Geld fehlt natürlich an anderer Stelle. Trotzdem hat die Ampel schon viel auf den Weg gebracht, zum Beispiel das Kindergeld deutlich erhöht.
Interview: Marcus Mäckler, Georg Anastasiadis, Mike Schier