Spaniens Angst vor der Hängepartie

von Redaktion

Madrid steht vor einer schwierigen Regierungsbildung – Es könnte jetzt auf Kataloniens Separatisten ankommen

Madrid – „Bloqueo“– das Wort war am Tag nach der vorgezogenen Parlamentswahl in Spanien in aller Munde. Nach dem zwar klaren, für eine Regierungsbildung aber nicht ausreichenden Sieg der oppositionellen konservativen Volkspartei PP geht in Spanien die Angst vor einer monatelangen politischen Hängepartie um. Einer Blockade, wie es die viertgrößte Volkswirtschaft der EU bereits 2015 und 2019 erlebte.

Nur diesmal hat das (noch) vom sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez regierte Land bis Jahresende im kriegserschütterten und von Inflation und Migrationsdebatten zerwühlten Europa den EU-Ratsvorsitz inne. Erschwerend kommt hinzu, dass Spanien politisch und gesellschaftlich zerstrittener und polarisierter denn je ist.

Die PP von Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo verbesserte sich am Sonntag zwar um 47 auf 136 Sitze, sie verpasste aber die absolute Mehrheit deutlich. Auch mit den 33 Sitzen der EU-skeptischen Rechtspopulisten von Vox – mit denen die PP zu verhandeln bereit ist – reicht es bei Weitem nicht. Der sicher geglaubte starke Rechtsruck wurde jäh gestoppt. Vox wird künftig sogar 19 Abgeordnete weniger als bisher haben. Sánchez jubelte über das „Scheitern des Blocks des Rückschritts“. Freude auch in Brüssel.

Núñez Feijóo (61), ein wenig charismatischer, aber erfahrener Politiker, reklamierte vor Tausenden jubelnden Anhängern in Madrid trotzdem das Amt des Regierungschefs für sich. Er werde mit mehreren Parteien sprechen. Doch es ist kaum absehbar, dass andere Gruppierungen ihm im Verbund mit Vox zur Regierungsmehrheit verhelfen würden. Die meisten Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit Vox ab.

Gibt es eine Alternative? Jein. Sánchez machte zwar seinem Ruf als politisches Stehaufmännchen alle Ehre. Nach dem Fiasko um das neue Sexualstrafrecht, das unerwartet dutzenden Sexualverbrechern vorzeitig die Zellentüren öffnete, und der Pleite der Linken bei den Regionalwahlen konnte die PSOE immerhin zwei Sitze hinzugewinnen. Aber selbst mit der Unterstützung der 31 Abgeordneten des linken Wahlbündnisses Sumar und kleinerer Parteien hat Sánchez nur geringe Aussichten, mit einer Kandidatur im Parlament Erfolg zu haben.

Nach übereinstimmender Analysten-Meinung steht nun deshalb anstelle von Rechtspopulisten-Boss Santiago Abascal als „Zünglein an der Waage“ kein Geringerer als Carles Puigdemont im Mittelpunkt. Die Partei Junts des im Brüssler Exil lebenden katalanischen Separatisten-Führers könnte mit der Enthaltung ihrer sieben Abgeordneten eine neue Sánchez-Regierung ermöglichen.

Puigdemont hatte zwar eine Unterstützung sowohl der PP als auch der PSOE abgelehnt. Doch Junts-Chefin Miriam Nogueras ließ am Wahlabend ein Hintertürchen offen. Eine Unterstützung werde aber nicht umsonst sein.

Das Problem: Die eher rechts der Mitte positionierten Puigdemont und Junts sind für viele PSOE-Wähler ein „rotes Tuch“, eine vielleicht noch schlimmere Spukgestalt als Vox. Eine Blockade und Wahlwiederholung könnte sich damit bereits ankündigen. E. RAPPOLD, J.-U. RONNEBURGER

Artikel 2 von 11