Berlin – Kommentarlage katastrophal, Partei verunsichert, die Aussichten auf die Kanzlerkandidatur wackelig. Nach eineinhalb Jahren als CDU-Chef steht Friedrich Merz im Feuer – nicht nur in den Medien, auch in der eigenen Partei. Einzelne in der CDU stellen sogar schon öffentlich in Frage, ob der Sauerländer der Richtige ist, wenn es darum geht, Olaf Scholz (SPD) bei der Bundestagswahl 2025 herauszufordern. Und das, obwohl Merz als Vorsitzender von Partei und Bundestagsfraktion doch der geborene Kanzlerkandidat sein müsste.
Nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand kritisieren Parteifreunde, Merz habe die Lage mit missverständlichen Äußerungen verschuldet. Und nur einem genützt: der AfD. Etliche in der Union hatten Merz’ Worte im ZDF-Interview zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene als Aufweichung der auch von ihm selbst immer wieder postulierten klaren Abgrenzung verstanden. Es folgte ein innerparteilicher Sturm der Entrüstung, auch die CSU distanzierte sich scharf – bald ruderte Merz zurück.
„Friedrich der Falsche“ titelt der „Stern“ in seiner neuen Ausgabe. Hört man sich in der CDU um, gibt es etliche, die das schon länger so sehen. Haben die als missverständlich kritisierten Äußerungen im ZDF das Fass zum Überlaufen gebracht? Dass Ex-Saar-Ministerpräsident Tobias Hans die K-Frage im „Stern“ für „völlig offen“ erklärt, kann Merz als Querschuss aus den hinteren Reihen verbuchen. Hans, früher Mitglied der CDU-Spitze, hat kaum mehr Gewicht. Dennoch dürfte er manchen aus der Seele sprechen, wenn er sagt, man müsse „vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt“.
Mehr Wucht haben da die Kommentare des in der Partei geschätzten NRW-Innenministers Herbert Reul. Er sagt im ZDF: „Die Leute müssen wissen, warum wir die AfD problematisch finden. Wenn die merken, was da für ein Gehampel da im Moment unterwegs ist, dann sagen die Leute: ,Ja Gott, die können es alle nicht.‘ Und dann wählen sie die AfD.“ Und selbst der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, kritisiert, Merz habe „zumindest Anlass gegeben, ihn misszuverstehen. Das sollte natürlich nicht passieren.“ Von Konkurrenten in der K-Frage gab es für Merz zunächst weiterhin keine öffentliche Rückendeckung. NRW-Regierungschef Hendrik Wüst sei „urlaubsbedingt leider nicht verfügbar“, ließ er mitteilen.
Dass Merz aktuell um seine Posten als Partei- und Fraktionschef bangen muss, glauben erfahrene CDUler nicht. Er und die CDU-Spitze sind bis zum Parteitag Anfang Mai 2024 gewählt. Viel werde für Merz davon abhängen, ob er das Ruder herumreißen könne und ob die Umfragewerte endlich nach oben zeigten. Ende August kommt die Spitze der Unionsfraktion im sauerländischen Schmallenberg zur Klausur zusammen. Bis dahin steht Merz quasi auf Fettnäpfchen-Bewährung.