München – Die Grünen nennen Markus Söder den „größten Versprechen-Brecher“ und kritisieren ihn dafür scharf. Aber wenn schon, dann hoffen sie drauf, dass der CSU-Chef ein weiteres Versprechen einkassiert – seine Aussage, auf gar keinen Fall mit den Grünen zu koalieren. Kein Spaß: In den grünen Hoffnungen für die Landtagswahl am 8. Oktober spielt das eine große Rolle.
„Er ist doch ein Weltmeister, am Tag danach etwas ganz anderes zu vertreten“, stichelt Fraktionschef Ludwig Hartmann und malt sich aus, mit welcher Inbrunst Söder nach einem vielleicht mauen CSU-Ergebnis den Schwenk erklären könnte. „Die Möglichkeit besteht definitiv. Ich bin sehr optimistisch, dass wir sondieren werden“, erklärt der Münchner, der einer der beiden grünen Spitzenkandidaten zur Wahl ist.
Bei der Bilanz-Präsentation der Fraktion wird mal wieder deutlich: Bayerns größte Oppositionskraft steckt in einem Dilemma. Viele ihrer 37 Abgeordneten sind die deutlichsten Kritiker der CSU-geführten Staatsregierung; ihre einzige Machtoption ist aber nach aktueller, stabiler Umfragelage ein Bündnis als Juniorpartner eben jener CSU.
Der Hunger aufs (Mit-)Regieren ist unüberhörbar. Nebenbei lässt Hartmann am Mittwoch fallen, dass er und seine Leute an „100-Tage-Maßnahmen“ für eine neue Regierung arbeiten. Das tut sich parallel zum Wahlkampf nur an, wer ernsthaft auf diese Option hofft. Auch einen Arbeitstitel für eine Koalition hat Hartmann schon: „Das Beste aus beiden Welten.“ Die Rückendeckung der Bundespartei gibt es dafür, machte unlängst Bundeschef Omid Nouripour im Interview mit unserer Zeitung deutlich.
Zur Erinnerung: 2018 hatte die CSU ein bitteres Ergebnis von nur 37 Prozent, aber drei Optionen. Die SPD ging nicht ans Telefon, als Söder anrief. Mit den Grünen traf er sich mal, fühlte sich aber von den forschen Forderungen überrannt. Also wurden die bürgerlichen, damals braveren Freien Wähler der Partner.
Für die Grünen hieß das in den letzten fünf Jahren, nur auf Umwegen Einfluss nehmen zu können. Als große Erfolge dabei heben Hartmann und seine Co-Spitzenkandidatin Katharina Schulze das Artenschutz-Volksbegehren heraus, die Verschärfungen des Abgeordnetenrechts und das neue Lobbyregister – wo die CSU stets unter Druck des Volkes oder eigener Affären nachgegeben hatte.
Hinzu kommt, dass CSU und Grüne (anfangs sogar alle Parteien) in der zunächst strikten Corona-Politik Konsens hatten. Für einige Monate suchte Söder sogar mal ab und zu Kontakt und Rückversicherung. Schulze sieht einen Erfolg auch in der kostenlosen Meisterausbildung, von der CSU neulich eingeführt: „Wir haben unzählige Male gebohrt und gedrängt.“
Der Dissens ist freilich größer. Für Erziehung und Bildung verlangt Schulze mehr Einsatz, unter anderem ein kostenloses Schul- und Kita-Essen für alle. In der Klimapolitik spricht Hartmann der CSU und noch mehr den Freien Wählern die Ernsthaftigkeit ab. Bei der Energie konstatiert er ein völliges CSU-Versagen. Söder habe vollmundig hunderte Windräder im Wald angekündigt. „In seiner ganzen Amtszeit ist eine einzige Windkraft-Anlage in den Staatsforsten in Betrieb gegangen. Eine einzige!“ Auch die Zahl der Windrad-Genehmigungen sei marginal. Heuer vier Stück in Bayern, im schwarz-grünen NRW hingegen 183. Für „Söder, den Erfinder des Supersupersuperlativs“, sei das doch recht wenig, sagt Hartmann.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER