VON FRIEDEMANN DIEDERICHS
Die USA sind der engste Verbündete Israels. Aus Washington fließen jährlich Milliardensummen an den einzigen demokratisch regierten Staat in Nahost. Deshalb sollte man annehmen, dass das Wort des Weißen Hauses in Jerusalem Gewicht hat. Doch die brisante Justizreform zeigt, dass die israelische Regierung die Abmahnungen von Joe Biden schlicht ignoriert. Obwohl Biden für einen Konsens plädierte, praktiziert Benjamin Netanjahu das arrogante „Augen zu und durch“-Prinzip. Das Weiße Haus spricht von einem „unglücklichen Votum“.
Allerdings kommen die Aussagen der US-Regierung auch mit einer Portion Zynismus. Denn ausgerechnet Biden warf kürzlich dem Supreme Court in Washington vor, kein „normales“ Gericht zu sein – eine Attacke, die direkt auf die Legitimität des Obersten Gerichtshofs in den USA abzielte. Hintergrund war die Entscheidung des mehrheitlich konservativen Gremiums, das jahrzehntelang von Eliteunis praktizierte Verfahren zu annullieren, Bewerbern bestimmter Hautfarbe – vor allem Afro-Amerikanern – Zulassungspriorität zu geben. Andere Antragsteller wie Asiaten waren dabei benachteiligt worden. Biden mochte das Urteil nicht, auch weil Schwarze seine Kernwählerschaft darstellen. Am Ende will der Präsident deshalb, was Netanjahu nun praktiziert: Die Fähigkeit des Gerichts einschränken. Und das macht die Kritik aus den USA weitgehend wertlos.
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