Niamey – Der mutmaßliche Verantwortliche für den Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Nigers hat sich selbst zum neuen Machthaber des westafrikanischen Landes ernannt. Der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, erklärte sich am Freitag bei einer TV-Ansprache zum Präsidenten des Nationalen Rats – zwei Tage, nachdem Offiziere seiner Eliteeinheit den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum in seinem Palast festgesetzt und für entmachtet erklärt hatten.
Über den Verbleib von Bazoum war zunächst nichts bekannt. Die Vereinten Nationen gingen davon aus, dass er sich zu Hause befinde. „Er scheint in seinem Haus zu sein, und es scheint ihm gut zu gehen“, sagte die per Video aus Niamey zugeschaltete Chefin des UN-Entwicklungsprogramms UNDP im Niger, Nicole Kouassi.
Der Militärputsch in dem Land, in dessen Hauptstadt rund 100 deutsche Soldaten stationiert sind, ist für die EU wie für die USA ein Rückschlag in den Bemühungen, die Region zu stabilisieren. Nach Putschen in Mali und Burkina Faso war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde, und hatte sich als wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus etabliert. Für die EU ist die Lage im Niger auch bedeutend, weil es eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Europa ist.
Die nigrischen Streitkräfte hatten am Donnerstag erklärt, sich der Forderung der rebellierenden Militärs nach einem Ende der Amtszeit von Bazoum anzuschließen. Nach Tchianis Äußerung am Freitag war jedoch zunächst unklar, ob der General als De-facto-Präsident die gesamte Armee hinter sich hat. Experten befürchten, dass sich ein Machtkampf entspinnen könnte. Tchiani bezeichnete das Militär als „Garanten der nationalen Einheit, der territorialen Integrität und der Interessen unserer Nation“.
Der sogenannte Nationale Rat für den Schutz des Vaterlandes, dem der General nun vorsteht, wurde von den Putschisten bereits am Mittwoch gegründet und übernimmt die Aufgaben einer Übergangsregierung. Die Verfassung wurde am Freitag außer Kraft gesetzt. Der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, sagte: „Tchiani ist kein Aufbruch – im Gegenteil.“ Seine Ernennung dürfte Spekulationen anfachen, dass Bazoums Vorgänger Mahamadou Issoufou hinter dem Coup stehen könnte, so Laessing. Issoufou hatte Tchiani zum Chef der Präsidentengarde befördert.
Das französische Außenministerium erklärte, die neuen Machthaber nicht anzuerkennen. Die EU verurteilte den Putsch scharf. Jeder Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung werde Auswirkungen auf die Zusammenarbeit haben, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Die Auswirkungen schlössen auch das sofortige Aussetzen jeglicher Budgethilfe ein. Die EU hatte dem Niger zuletzt neue Investitionen in Höhe von 66 Millionen Euro in Bildungs- und Jugendprojekte in Aussicht gestellt.
Für die Bundeswehr-Soldaten im Land sieht Verteidigungsminister Boris Pistorius derzeit keine akute Gefahr. Der Leiter des Lufttransportstützpunktes in Niamey habe ihm bestätigt, „dass es aktuell keine erhöhte Bedrohung durch die Putschisten gibt, weder für Zivilisten noch für Soldatinnen und Soldaten“, sagte er dem „Spiegel“. In Gesprächen mit der nigrischen Seite werde man verdeutlichen, „dass sich unsere Kräfte aus den innernigrischen Angelegenheiten heraushalten“. Die Putschisten hatten das Ausland davor gewarnt, militärisch einzugreifen. Die Bundeswehr betreibt den Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika – Niamey spielt auch für den Abzug aus Mali eine wichtige Rolle.