Oh, wie schön ist Hildesheim

von Redaktion

„Befreundetes Ausland“, eigener Garten: Wo Deutschlands Spitzenpolitiker Urlaub machen

München – Die schönsten Wochen des Jahres können brandgefährlich sein. Zumindest wenn man Minister in Kirgistan ist und sich nicht an die Vorgaben des Geheimdienstchefs hält. Niemand solle „in Badeshorts am Strand liegen und sich sonnen“, hat Kamtschybek Taschijew den Kabinettsmitgliedern in die Ferien mitgegeben. „Ersparen Sie mir den Anblick.“ Dienstbeginn sei um sechs Uhr in der Früh. Wer gegen die Regeln verstoße, bei dem könne er „Maßnahmen ergreifen“.

Dass Olaf Scholz bei seinen Ministern vergleichbare Ansagen machte (oder vom Bundesnachrichtendienst selber Direktiven erhielt), ist nicht übermittelt. Überhaupt ist der Kanzler mit dem Thema äußerst diskret umgegangen. Viel mehr als den Halbsatz des Regierungssprechers, sein Chef werde „ein paar Tage im befreundeten europäischen Ausland“ verbringen, gab es nicht zu notieren. Er freue sich, sagte Scholz gewohnt unverbindlich, „auch mal kurz weg zu sein“.

Das Wort „kurz“ dürfte ihm wichtig gewesen sein. In Zeiten, wo jeder fünfte Deutsche sich keinen Urlaub leisten kann, sind Reisepläne eine sensible Angelegenheit. Drei Wochen Hawaii, das würde sich kein Spitzenpolitiker trauen. Das falsche Reiseziel und die falsche Betätigung können verheerende Folgen haben. Wenn auch nicht immer so schlimm wie bei Rudolf Scharping, dem damaligen Verteidigungsminister, dessen liebestrunkenes Planschen auf Mallorca 2001 in unschönem Kontrast stand zum anstehenden Balkan-Einsatz der Bundeswehr.

Olaf Scholz würde so etwas nicht passieren. Vom Kanzler gibt es Bilder aus dem letzten Jahr, die ihn beim Wandern im Allgäu zeigen, mit Funktionsshirt und Schirmmütze, entspannt und bodenständig. Mehrere seiner Minister reisen nach Frankreich, andere an die Ostsee, Christian Lindner begann die Auszeit am Niederrhein. Nur Marco Buschmann aus dem Justizressort mag es etwas extravaganter. Er weilt in Schottland, teilt die Pressestelle seines Hauses freimütig mit – und legt Wert auf die Feststellung, es gehe da nicht nur ums süße Nichtstun. Ein Anlass der Reise sei „der 300. Geburtstag von Adam Smith“, dem liberalen Philosophen.

Das klingt, als sei dem FDP-Mann die Balance gelungen zwischen verdienter Erholung, geistiger Anregung sowie berufsnaher Fortbildung und das, ohne abgehoben zu wirken. Buschmann liefert jedenfalls keinerlei Angriffsfläche, anders als mal wieder Karl Lauterbach. Dem hat ein Tweet aus Italien, in dem er sich über den Klimawandel und die schlechte Perspektive als Touristendestination ausließ („Eine Ära geht zu Ende“), zuletzt ähnlich viel Spott eingebracht wie so mancher Entwurf aus seinem Ministerium (siehe oben).

Besser wäre es wohl gewesen, wenn er den Urlaub als die Privatsache behandelt hätte, die er nun mal ist. Markus Söder zum Beispiel wurde in den Pfingstferien in Dubai gesehen, verlor öffentlich aber kein Wort darüber. Anders dürfte das in den nächsten Wochen sein, wenn er in Bayern weilt, was sowohl geografisch als auch wahltaktisch eine naheliegende Entscheidung ist.

Und schließlich gibt es noch Hubertus Heil. Der Arbeitsminister, sozusagen der Schutzpatron des kleinen Mannes, bleibt zu Hause. In Hildesheim. Während in Südeuropa die Sonne lacht (oder erbarmungslos brennt), darf sich Niedersachsen in den nächsten Tagen auf einen Sonne-Wolken-Regenmix einstellen. Eine Neiddebatte wird Heil diesen Sommer erspart bleiben. MARC BEYER

Artikel 1 von 11