München – Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Italiens Botschafter dieser Tage eine Nachricht folgenden Inhalts nach Rom schickte: Entwarnung, er ist wieder in Berlin. Er, das wäre dann Karl Lauterbach, dessen Namen man seit Kurzem von Bozen bis Palermo kennt. Nun ist der Bundesgesundheitscarlo also zurück aus seinem Toskana-Urlaub, am Freitag stellte er in Berlin gleich den neuen Hitzeschutzplan vor. Das passte. Hitze ist gerade sein großes Thema.
Italien bekam das zu spüren, dort ist der deutsche Minister seit Tagen in aller Munde. Grund: Zu Beginn seines Urlaubs setzte Lauterbach einen Tweet ab, in dem er – grob gesagt – dem Urlaubsland Italien den Untergang prophezeite. „Die Hitzewelle ist spektakulär hier“, schrieb er aus Bologna. Gehe das mit dem Klimawandel so weiter, „werden diese Urlaubsziele langfristig keine Zukunft haben“. Und dann: „Eine Ära geht zu Ende.“ In Rom kippten sie ungläubig aus den Latschen.
Dass man einem Land wie Italien nicht ungestraft das dolce vita raubt, hätte Lauterbach ahnen können. Die Reaktionen: vornehm irritiert bis wild verärgert. Tourismusministerin Daniela Santanchè dankte Lauterbach noch, dass er Italien als Urlaubsziel gewählt habe. Der Klimawandel betreffe aber nicht nur ihr Land, sondern den ganzen Planeten. Sie sei „sicher, dass die Deutschen den Italien-Urlaub immer weiter schätzen werden“. Maurizio Gasparri, Senator der Regierungspartei Forza Italia, langte härter zu. Lauterbach sei ein „Provokateur“, schrieb er. „Er sagt Blödsinn und sollte zurücktreten. Das Deutschland von Goethe hat so eine Person in öffentlichen Rollen nicht verdient.“
Den Höhepunkt erreichte der heilige Zorn am Mittwoch in der Sendung des bekannten TV-Moderators Andrea Giambruno. „Seit 20, 30 Jahren müssen uns die Deutschen irgendwie erklären, wie wir leben müssen“, schimpfte er. „Wenn es dir nicht passt, dann bleib zu Hause.“ Dazu muss man wissen: Giambruno ist der Lebensgefährte von Regierungschefin Giorgia Meloni, die ihrerseits keine tiefe Leidenschaft für Deutschland hegt. Vielleicht sagte er ja nur, was sie insgeheim denkt.
Der Fairness halber muss man sagen: Inhaltlich hat Lauterbach einen Punkt. Was der Klimawandel für Urlaubsziele bedeuten kann, zeigten unlängst die verheerenden Brände auf Rhodos. Die Frage ist halt bloß, ob es guter Stil für einen Minister ist, apokalyptisch twitternd durch ein befreundetes Land zu reisen.
Vermutlich wissen sie in Italien nicht, dass es dem Deutschen bisweilen an Gespür fehlt. Als etwa Tina Turner starb, twitterte er einen Beitrag und schrieb: „Beeindruckende Beschreibung von Tina Turner wie Homöopathie ihre Niere zerstört hat.“ Das las sich auch mit größter Mühe nicht wie Anteilnahme. Als hätte er den Schuss nicht gehört, hielt Lauterbach auch nach dem ersten Italien-Fauxpas die Füße nicht still. Er postete Bilder von Kirchen und empfahl sie als Kälteräume. Immerhin: Am Trevi-Brunnen in Rom rang er sich ein Lächeln ab, bei 36 Grad.
Ein wenig erinnert die Posse um den SPD-Mann an ein anderes deutsch-italienisches Skandälchen. Im Juli 2003, vor 20 Jahren, ging der Aufreger aber von Rom aus. Der damalige Tourismus-Staatssekretär Stefano Stefani ätzte in einer Zeitung gegen die Deutschen, nannte sie „anmaßende, stereotypisierte Blonde mit hypernationalistischem Stolz“, die lärmend über italienische Strände herfallen. Über den SPD-Europapolitiker Martin Schulz schrieb er, der sei wohl „mit dröhnenden Rülpswettbewerben nach Bier- und Fressgelagen“ aufgewachsen.
Es folgte eine Art diplomatische Urlaubskrise. Deutsche boykottierten italienische Restaurants. Kanzler Gerhard Schröder sagte seinen Adria-Urlaub ab. Begründung: „Alles hat Grenzen“. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz zeigte Verständnis. Schließlich habe man es nicht nötig, sich derart beschimpfen zu lassen.
Glücklicherweise hat Lauterbachs Tweet solche Verwerfungen nicht ausgelöst. Der Bürgermeister von Rimini, Jamil Sadegholvaad, lud den Minister sogar zu einem Urlaub in seine Stadt ein. Der Tourismus in Südeuropa werde nicht wegen des Klimawandels verschwinden, sagte er. Man tue alles, damit Italien „Urlaubsziel für die Nachfahren Goethes“ bleibe.