„Wir werden die Vorschulpflicht prüfen“

von Redaktion

INTERVIEW Integrationsminister Herrmann verteidigt die Sprachtest-Pläne der CSU – Pensionierte Lehrer einsetzen

München – Bayerns Koalition streitet über Sprachtests für alle Schüler und neue spezielle Sprachklassen. Braucht’s nicht, sagt der Schulminister von den Freien Wählern. Braucht es dringend, sagt der Integrationsminister von der CSU. Wir sprechen darüber mit Joachim Herrmann, der für Inneres und Integration zuständig ist.

Sprachtests für Schüler: Nur eine Wahlkampf-Nummer oder ein wichtiges Integrationsprojekt?

Das ist ein sehr wichtiges Thema – schon lange. Ja, wir haben schon Sprachstandstests im Kindergarten ein Jahr vor der Einschulung. Das funktioniert im Großen und Ganzen schon. Aber: Gerade unter ausländischen Kindern gibt es sehr viele, die nicht in den Kindergarten geschickt werden, weil ihre Familien Vorbehalte haben oder weil sie erst seit Kurzem im Land sind und kein Platz frei ist. Genau da fallen dann erst wenige Wochen vor der Einschulung riesige Sprachdefizite auf. Das ist viel zu spät. Die Kinder werden dann von der Einschulung zurückgestellt und verlieren ein Jahr.

Ihr Schulminister sagt, das passe schon so mit den bisherigen Angeboten…

Das Problem sind nicht die Angebote. Das Problem ist: Viele Familien mit Migrationshintergrund nutzen sie nicht. In der Regelschule spüren wir dann, dass Kinder ohne Sprachkenntnisse den Lernfortschritt der ganzen Klasse hemmen. Das erleben wir überall im Land, in jeder zweiten Klasse – so wird die Integration gebremst.

Ist das ein Problem bei ukrainischen Kindern?

Nicht so stark, das sind ja oft ältere Schüler. Viele haben mitten im Schuljahr den Sprung ins kalte Wasser geschafft, haben in der regulären Klasse extrem schnell Deutsch gelernt – da kenne ich persönlich herausragende Beispiele. Das gelingt aber natürlich auch nicht allen. Auch hier wollen wir helfen.

Klartext: Sie wollen für kleine Kinder ohne Deutschkenntnisse ein verpflichtendes Vorschuljahr?

Wir müssen dazu kommen, dass in der Grundschule nur eingeschult wird, wer hinreichend Deutsch spricht. Also braucht es vorher für manche Schüler Sprachunterricht. Wir werden eine besondere Vorschulpflicht für diese Kinder genau prüfen, mit Pädagogen und Juristen beraten. Noch mal: Wir tun weder dem Schüler noch seiner Klasse einen Gefallen mit einer Einschulung ohne Deutschkenntnisse.

Weiß Ihr Finanzminister schon, dass das Geld kosten wird?

Wir haben das Konzept alle, also auch der Finanzminister, im CSU-Vorstand beschlossen. Dass das unterm Strich einiges kosten wird, ist klar. Wir werden auch zusätzliche Kräfte brauchen, die im Vorschuljahr und in weiteren Sprachklassen Deutsch unterrichten können. Ich denke daran, pensionierte Lehrer auf Stundenbasis zurückzuholen. Wir sollten dazu die Zuverdienstgrenzen lockern. Dieses Modell aus der Corona-Zeit hat sich bewährt, das will ich wiederholen.

Wann ist das Konzept startklar?

Flächendeckend muss das zum Schuljahr 2024/25 laufen. Ich wünsche mir, dass wir schon vorher, also im kommenden Schuljahr, einzelne Fördermaßnahmen spürbar verstärken können.

Interview: Chr. Deutschländer

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