München – Grünen-Chefin Ricarda Lang sitzt im Zentrum des politischen Berlins, als eine Geschichte aus der Heimat sie einholt. ARD-Sommerinterview, Reichstag und Spree im Hintergrund – und plötzlich geht es um Backnang. Dort, mitten in Langs eigenem Wahlkreis, spricht nämlich der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat ganz offen darüber, dass er und andere für einen AfD-Antrag gestimmt haben. Es ging um Theater-Zuschüsse.
Für Lang ist es ein merklich unangenehmer Moment. Keine Zusammenarbeit mit der AfD – das hat sie nicht nur selbst immer wieder für ihre Partei klargemacht. Diesen Grundsatz haben die Grünen zuletzt auch der CDU entgegengehalten. Deren Vorsitzender Friedrich Merz hatte nämlich gesagt, in Kommunalparlamenten müsse auch „nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet“. Gemeinsam mit der AfD war gemeint.
Selbst aus den eigenen Reihen sahen sich danach viele genötigt, Merz zu korrigieren. Mehr und weniger hochrangige CDU-Politiker widersprachen ihm deutschlandweit. Auch CSU-Chef Markus Söder stellte klar: „Wir sind ganz klar gegen jede Form der Kooperation mit der AfD, egal ob auf europäischer, auf Bundes-, auf Landes- oder gar auf kommunaler Ebene.“
Die politischen Gegner reagierten erwartungsgemäß noch schärfer. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach vom „Tabubruch“. Grünen-Chefin Lang warf Merz vor, er baue damit die „Brandmauer“ zur AfD „ein kleines Stück ab“.
Zurück in Backnang: „Wir sind alle per Du und gehen nach der Sitzung auch zusammen ein Bier trinken“, erzählt der grüne Gemeinderat Willy Härtner offen der „Backnanger Kreiszeitung“. Der Fall, in dem man sogar mit der AfD abgestimmt hat, sei aber ein besonderer gewesen. Die AfD habe sich zunächst quer gestellt, dann aber nach Vorträgen der Leiterinnen der betroffenen Theatereinrichtung den Förderbetrag sogar erhöhen wollen. Und nun? „Unser Wunsch war, dem Verwaltungsvorschlag zuzustimmen“, wird im Artikel auch CDU-Fraktionschefin Ute Ulfert zitiert. Doch der Tagesordnungspunkt sei zunächst im Verwaltungsausschuss nichtöffentlich vorberaten worden. „In der Gemeinderatssitzung konnten wir dann nur noch so mitstimmen.“ Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende erinnert sich: „Dann war die Frage, stimmen wir dagegen, nur weil der Antrag von der AfD kommt“, sagt Heinz Franke. Sie stimmten mehrheitlich dafür.
Es sind Fälle wie dieser, die zeigen, dass aus schwarz-weißen Idealen schnell eine graue Realität werden kann. Besonders in Ostdeutschland – wo die AfD besonders stark ist – ist die Zusammenarbeit mit der rechten Partei auf kommunaler Ebene längst kein Einzelfall mehr. Deren Vertreter kämen dort auch nicht selten aus der Mitte der Gesellschaft, hat der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer einmal unserer Zeitung gesagt. „Sie sind Handwerker oder bei der Polizei.“
Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt bekräftigt im MDR, dass seine Partei eine klare Haltung habe: „Die CDU sagt klipp und klar, es gibt keine Koalition mit der AfD.“ Doch: „Soll jetzt ein CDU-Bürgermeister nicht mehr ans Telefon gehen, weil der AfD-Landrat anruft?“ Lebensfern sei das, findet Voigt. „Wir können doch nicht sagen ,Wir sind dagegen, weil die AfD dafür ist‘.“ Ein solches Vorgehen verstehe niemand. Und der CDU-Landeschef räumt ein, dass es auf kommunaler Ebene natürlich dazu kommen könnte, dass die AfD auch mal einem CDU-Antrag zustimme. „Damit muss man lernen umzugehen. Da braucht es eine gewisse Form der Gelassenheit und Pragmatismus“, sagt Voigt.
Für Grünen-Chefin Lang kommt das grundsätzlich nicht infrage. „Wir haben da eine ganz klare Linie als Partei: Keine Zusammenarbeit heißt keine Zusammenarbeit“, sagt sie. Den Vorfall in Backnang werde man nun intern klären.