Der unantastbare Donald Trump

von Redaktion

VON CHRISTIANE JACKE

Washington – Ein Präsident als Teil einer Verschwörung – gegen den eigenen Staat und den rechtmäßigen Ablauf eines Machtwechsels. Das ist üblicherweise Stoff aus strauchelnden Ländern oder Autokratien. Genau dies wirft die US-Justiz nun aber dem 45. Präsidenten der USA vor. Dabei geht es nicht nur für Donald Trump ums Ganze, auch für die US-Demokratie.

Der 6. Januar 2021 war eine Zäsur für die USA: Eine fanatische Menge erstürmte das Kapitol in Washington, angepeitscht vom damals amtierenden Präsidenten Trump. Mehrere Menschen kamen ums Leben. Der Gewaltexzess war der Versuch, das Ergebnis einer Wahl zu kippen. Und Höhepunkt einer über Monate choreografierten Kampagne Trumps mit dem Ziel, die Präsidentenwahl 2020 als Betrug darzustellen.

Gut zweieinhalb Jahre später folgt die denkwürdige Anklageschrift. Auf 45 Seiten wird aufgelistet, wie sich Trump gegen seine Wahlniederlage stemmte, wie er eine Verschwörung mit sechs anderen Personen vorantrieb, das Justizministerium instrumentalisierte, Politiker im Bund und Bundesstaaten unter Druck setzte, darunter seinen Vize Mike Pence. Dabei habe er genau gewusst, dass an seinen Wahlbetrugsbehauptungen nichts dran sei, argumentieren die Ankläger. Heute soll Trump vor Gericht in Washington erscheinen.

Noch nie zuvor in der US-Geschichte musste sich ein Ex-Präsident wegen einer mutmaßlichen Straftat vor Gericht verantworten. Doch Trump wurde erst im Frühling wegen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt. Im Juni folgte eine Anklage wegen der Aufbewahrung streng geheimer Regierungsunterlagen in seinem Privatanwesen – nach dem Ende seiner Amtszeit.

Jetzt geht es um die Frage: Darf ein amtierender Präsident Lügen über eine Wahl verbreiten, darf er versuchen, den Wählerwillen umzukehren, und dafür seinen Regierungsapparat einsetzen?

Sollte Trump die Anklage unbeschadet überstehen, könnten Radikale das als Freibrief verstehen, ein unliebsames Wahlergebnis einfach nicht zu akzeptieren. Sollte Trump verurteilt werden, könnte das wiederum enorme gesellschaftliche Verwerfungen in einem ohnehin politisch tief gespaltenen Land auslösen. Das Wahljahr 2024 wird eines wie kein anderes.

Erstaunlich ist, dass Trump der wachsende Berg an juristischen Problemen politisch überhaupt nicht schadet. Die „New York Times“ veröffentlichte erst kürzlich eine Umfrage, wonach Trump 54 Prozent der republikanischen Wähler hinter sich hat – mehr als alle anderen Präsidentschaftsbewerber seiner Partei zusammen. Selbst Floridas Gouverneur Ron DeSantis, Trumps größter parteiinterner Konkurrent, liegt dramatisch abgeschlagen dahinter.

Eine schnelle Umkehr des Trends dürfte es nicht geben. Die meisten Anschuldigungen wurden bereits im Amtsenthebungsverfahren und im Untersuchungsausschuss öffentlich ausgebreitet. All das hat Trumps Basis nicht dazu gebracht, sich von ihm abzuwenden. Nach den vorherigen zwei Anklagen gingen Trumps Umfragewerte nach oben, ebenso wie die Spendeneinnahmen seiner Wahlkampagne.

Laut der jüngsten Umfrage der „New York Times“ sind 37 Prozent der republikanischen Wählerschaft Hardcore-Trump-Anhänger, die sich durch nichts abschrecken lassen und rein gar nichts von den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn halten. Hinzu kommen weitere 37 Prozent des republikanischen Wählerpools, die offen dafür sind, Trump zu wählen. Für seine parteiinternen Konkurrenten ist es daher sehr schwierig, ihn zu schlagen.

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