VON GEORG ANASTASIADIS
Jetzt also auch der Berliner Kai Wegner. Die Riege der CDU-Landesfürsten, die den Unionschefs Friedrich Merz und Markus Söder die Kür des Kanzlerkandidaten aus der Hand nehmen und selbst entscheiden wollen, wird größer. Die Unruhe in der Union auch. Denn den Kandidatenstreit, vor dem Wegner und andere Merz-Gegner aus dem CDU-Establishment recht scheinheilig warnen, befeuern sie selbst am meisten, indem sie die Autorität des Parteichefs mit erkennbar abgestimmten Wortmeldungen vorsätzlich beschädigen. So was kann, blickt man nach Frankreich oder gar Italien, bitter enden. Dort stritten die Christdemokraten so lange, bis sie durch die Rechtspopulisten Berlusconi, Salvini und Meloni ersetzt wurden.
An dem Chaos ist Merz nicht unschuldig. Er hat mit etlichen Ungeschicklichkeiten Zweifel daran bestärkt, ob er der Richtige ist, 2025 die Macht für die Union zurückzuerobern. Hinzu kommen maue Umfragen. Das Merkel-Lager, von Merz in einem Basisvotum zur Wahl des Parteichefs deklassiert, will die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen, die Partei wieder dorthin zu schieben, wo die Alt-Kanzlerin ihre Siege holte: in der Mitte und links davon. Konservative, wirtschaftsliberal und nationalpatriotisch geprägte Wähler überließ Merkel gern anderen.
Doch kann auch der derzeit stärkste Vertreter dieses Lagers, NRW-Landeschef Hendrik Wüst, der CDU keine klare Siegesoption bieten: Auch seine Werte sind nur mittelgut. Sollte Merz hinwerfen und er übernehmen (müssen), hätte Wüst die absehbar schwierigen Wahlergebnisse des Jahres 2024 selbst zu verantworten. Dann werden in Europa und drei ostdeutschen Ländern, wo sich viele Wähler eine konservativere CDU à la Merz wünschen, die Bürger an die Urnen gerufen. Dann wäre auch der Jungstar schon entzaubert. Dann wäre der Nächste dran. Etwa Söder?
Noch ist Merz nicht am Ende; er hatte und hat seine Bataillone nicht in den Gremien, sondern an der Basis. Seinen Hinweis auf die Möglichkeit eines Mitgliederentscheids zur Kür des Unions-Kanzlerkandidaten dürften Landesfürsten und CDU-Establishment als das verstanden haben, was es war: eine harte Kampfansage.
Georg.Anastasiadis@ovb.net