Der abgeschirmte Präsident

von Redaktion

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Als Joe Biden im Januar 2021 sein Amt als US-Präsident antrat, verkündete er: Er werde nach der Ära Trump „Transparenz und Wahrheit“ zurück in die Regierung bringen. Doch seitdem hat der 80-Jährige, der sich 2024 zur Wiederwahl stellen will, vor allem nach einer Strategie gehandelt: Die Medien so weit wie möglich von sich fernhalten – und es um jeden Preis vermeiden, mit zuvor nicht abgestimmten Fragen konfrontiert zu werden. Selbst die sonst dem Demokraten freundlich gesinnte linksliberale „New York Times“ vermeldete kürzlich im Beschwerdeton, der Präsident habe mit 54 Terminen die wenigsten Interviews gegeben seit der Regierungszeit von Ronald Reagan (1981 – 1989). Zum Vergleich: Bidens früherer Chef Barack Obama stellte sich 275 mal den Reportern.

Das ist wohl eine bewusste Taktik, die Biden vor allem vor sich selbst schützen soll. Denn spontane Konversationen mit Medienvertretern haben, so sieht es auch die „New York Times“, oft für peinliche Versprecher und spätere Kritik gesorgt. Wie mit seinem legendären Hinweis, ein „kleines Eindringen“ Russlands in die Ukraine werde „akzeptabel“ sein.

Nun, mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf für 2024 und die weiter akute Frage der mentalen Fitness Bidens, hat das Weiße Haus die Daumenschrauben gegenüber Berichterstattern weiter angezogen. Ende Juli verloren mehr als 440 bisher ständig akkreditierte Reporter den Zugang zu den Pressekonferenzen und Arbeitsräumen in der Regierungszentrale. Das Magazin „politico“ konstatierte jetzt, die Zahl der zugelassenen Korrespondenten sei von 1417 auf 975 gesunken. Ganz ausgesperrt sind diese Journalisten zwar nicht. Sie müssen sich aber einen sogenannten Tagespass besorgen, wenn sie im Zentrum der Macht recherchieren wollen – ein bürokratisches und zeitraubendes Unterfangen, das die Zahl der „Day-pass“-Antragsteller offenbar weiter ausdünnen soll.

Zudem hat das Weiße Haus die Zulassungs-Qualifikationen verschärft. Reporter müssen nun eine Vollzeit-Anstellung bei einer News-Organisation mit einem Büro in Washington haben, dessen Aufgabe die Nachrichtenverbreitung ist. Damit hat Bidens Pressestab einen Hebel, vor allem jene unliebsamen Online-Reporter auszusperren, die weniger nachrichtlich berichtend als kommentierend tätig sind. Nach dem Durchleuchten durch den Secret Service müssen sich Antragsteller auch einer weiteren neuen Regel stellen: Wer nicht in einer „professionellen Art und Weise“ handele, werde Gefahr laufen, seinen Zugangspass zu verlieren. Dies geschah jetzt mit dem afro-amerikanischen Journalisten Simon Ateba, der die Webseite „Today News Africa“ betreibt und bisher in einer der hinteren Reihen des Pressesaals saß. Da Ateba die neuen Vorschriften nicht erfüllen konnte, verzichtete er von sich aus auf das Erneuern seines Dauerpasses.

Das kommt Bidens Pressesprecherin Karine Jean-Pierre durchaus gelegen, denn Ateba war vor laufenden Kameras zu einem Dorn im Auge geworden. Er hatte sich wiederholt beschwert, dass ihm und anderen Journalisten im hinteren Bereich kein Fragerecht eingeräumt werde. Die „Washington Post“ und „New York Times“, die ganz vorn sitzen, hatten daraufhin sogar in Porträts von Ateba diesen wenig kollegial kritisiert und auch die Legitimität seiner Webseite angezweifelt. Dabei hatte Ateba mit seinen Protesten auch den Finger in eine andere Wunde gelegt: Den Verdacht einer diskret-verschämten Kooperation des Weißen Hauses mit wohlwollenden US-Medien.

Ein Fotograf schaffte es bei einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten Südkoreas Ende April, mit einem Teleobjektiv, eine der Merkkarten Bidens in der Hand des Präsidenten zu fotografieren. Die Karte zeigte nicht nur die erste Fragestellerin im Foto, sondern auch den Tenor der zu erwartenden Frage – in diesem Fall von einer Reporterin der liberalen „Los Angeles Times“ stammend. Ihr kam die Ehre zu, sich als erste zu Wort melden zu dürfen. Die Frage der Korrespondentin entsprach dann in der Tat dem, was Biden erwartet hatte.

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