München – Auf ein leichtes Minus der Wirtschaftsleistung um die Jahreswende 2022/23 folgt momentan eine Art Stagnation. Eine Katastrophe, Deindustrialisierung oder Ähnliches ist das zwar nicht, aber trotzdem ist die Debatte im Gange, wie sich die Situation verbessern ließe. Kann eine Senkung der Strom- oder Erbschaftsteuer helfen, soll der niedrige Satz der Mehrwertsteuer beibehalten werden? Welche Vor- und Nachteile hätten diese und andere Steuersenkungen?
Stromsteuer: Sie beträgt rund zwei Cent pro Kilowattstunde (kWh) Stromverbrauch. Das sind zur Zeit weniger als fünf Prozent des durchschnittlichen kWh-Preises, der im Umkreis von 45 Cent liegt. Die Senkung wird immer mal wieder verlangt, augenblicklich machen sich CSU und CDU gemeinsam dafür stark. Dafür spricht, dass die Strompreise ab Ende 2021, kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, um mehr als zehn Cent stiegen. Unter dieser Inflation leiden viele Privathaushalte und Firmen. International tätige Unternehmen spüren auch einen Nachteil gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten, weil die Kosten der Elektrizität etwa in Frankreich oder den USA deutlich geringer ausfallen. Gegen die Absenkung spricht, dass die Strompreise sowieso sinken. Wer jetzt den Anbieter wechselt, zahlt kaum mehr als vor der Inflation. Außerdem vermindert ein niedriger Preis den Anreiz zum Stromsparen.
Mehrwertsteuer: Das Wiener Schnitzel oder die vegetarische Lasagne werden in Restaurants augenblicklich nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegt. Seit der Corona-Krise sollte das den Gastronomen helfen. Eigentlich läuft die Regelung Ende diesen Jahres aus. Dann würden vermutlich die meisten Speisen um etwa zehn Prozent teurer, da der normale Satz der Mehrwertsteuer 19 Prozent ausmacht. Das Schnitzel für 20 Euro kostete dann 22. Nachfrageeinbruch, Pleite-Gefahr? Das spricht für den niedrigen Satz. Gegenargument: Die Beibehaltung der niedrigen Steuer verzögere nur die Pleite derjenigen Betriebe, die sich sowieso nicht tragen.
Gewinnsteuer: In der momentanen Phase leichter Schrumpfung und schwachen Wachstums haben viele Firmen Probleme. Ihnen will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unter die Arme greifen, indem er die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer um 6,7 Milliarden Euro pro Jahr reduziert. Pro: Die Kosten der Firmen sinken, sie können mehr investieren. Contra: Die Städte und Gemeinden beschweren sich schon, weil ihnen dann gewisse Steuereinnahmen verloren gehen.
Erbschaftsteuer: Im Rahmen eines Fünf-Punkte-Programms schlug CDU-Chef Friedrich Merz kürzlich vor, „Elternhäuser“ grundsätzlich von der Erbschaftsteuer zu befreien. Vorteil: Erben kommen nicht in die finanzielle Bredouille, weil die Steuer erlassen wird. Viele können die Immobilie dadurch vielleicht erst halten. Nachteil: Kritiker sagen, Erben teurer Grundstücke und Häuser erhielten ein Steuergeschenk.
Die Staatsfinanzen: Steuersenkungen bedeuten weniger Einnahmen für den Staat, der dann bestimmte Leistungen zugunsten der Bürger nicht oder weniger erbringen kann. Beispiel Stromsteuer: Die etwa sieben Milliarden Euro Einnahmen dienen heute zum guten Teil dazu, die Rentenkasse zu stabilisieren. Fallen sie weg, steigt auch der Druck zur Erhöhung der Rentenbeiträge der Arbeitnehmer. Von Steuersenkungen für alle profitieren auch die Wohlhabenden und Reichen. Das kann man als sozial problematische Verschwendung öffentlicher Mittel betrachten. HANNES KOCH