Die düstere Herrschaft der Taliban

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

Kabul/München – Mit Maschinengewehren bewaffnet, stehen ein Dutzend Männer im prunkvollen Präsidentenpalast. Sie starren mit angsteinflößenden Blicken der Kamera entgegen. In einer enormen Geschwindigkeit haben die Taliban-Kämpfer nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in Afghanistan an sich gerissen. Am 15. August 2021 fällt die Hauptstadt Kabul. Nach rund zwei Jahrzehnten haben die militant-islamistischen Taliban nun wieder das Sagen – das Land verfällt in Panik.

Heute, zwei Jahre später, ist das Ausmaß der Macht so richtig sichtbar. Die Taliban versprachen eine moderate Regierung, bekommen haben die Afghanen eine autoritäre Herrschaft. In der Frauen und Mädchen systematisch aus der Gesellschaft gedrängt werden und die wirtschaftliche und humanitäre Lage katastrophal ist. Sie bekamen, eine Regierung, die kein einziges Land der Welt anerkennt. Ein repressives Regime, das zusätzlich gespalten ist.

Denn innerhalb der Taliban gibt es zwei unterschiedlichen Strömungen – Hardliner und Pragmatiker. Die Hardliner um Taliban-Chef Haibatullah Akhundzada, der von seinen Gefolgsleuten zum „Führer der Gläubigen“ ernannt wurde, stehen für internationale Abschottung. Ihr Machtzentrum ist die südliche Stadt Kandahar.

Während in der Hauptstadt Kabul die Pragmatiker zu verorten sind. Auch sie sind Teil des Taliban-Regimes, streben allerdings eine internationale Anerkennung an. Unter den Pragmatikern sind laut Ellinor Zeino von der Konrad-Adenauer-Stiftung auch Taliban mit westlicher Staatsbürgerschaft – sie wisse sogar von einem deutschen Taliban.

Zeino von der CDU-nahen Stiftung war vor wenigen Tagen in Kabul. Nach zwei Jahren Taliban habe sich das „Stadtbild in Kabul gar nicht so verändert“, berichtet sie. In der Hauptstadt gebe es westliche Supermärkte, und Afghanen sitzen in Cafés. Frauen seien dort ohne Vollverschleierung auf der Straße unterwegs, und sie arbeiteten sogar im wirtschaftlichen Sektor – nur seien sie eben weniger sichtbar. „Der Krieg ist vorbei“, sagt Zeino. Doch Frieden herrscht nicht. „Die Stimmung ist von Lethargie und Depression geprägt.“

Zwar gilt für afghanische Frauen kein komplettes Berufsverbot, für Hilfsorganisationen beispielsweise dürfen sie allerdings nicht mehr arbeiten, ebenso wenig wie studieren. Schönheitssalons – Einnahmequelle und Rückzugsort für Frauen – wurden geschlossen.

International sorgt das für heftige Kritik. Vor allem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die sich einer feministischen Außenpolitik verschrieben hat, spricht von „roten Linien“, die „überschritten“ wurden. Laut Zeino werden diese lauten Rufe nicht nur von den Taliban, sondern auch von der Zivilbevölkerung teils kritisch gesehen. Es schade teilweise, wenn Frauenrechte zu einer ausländischen Agenda gemacht werden. Laut Zeino erklärte der Taliban-Innenminister Siradschuddin Hakkani, dass vor allem von Deutschland und Frankreich die schärfsten roten Linien wahrgenommen würden, während die „Beziehungen mit den USA von Tag zu Tag besser werden“.

Erst Anfang August fand im katarischen Doha ein Treffen mit Vertretern der Taliban und den USA statt. Die US-Delegation forderte dort laut einer Mitteilung, die Politik der Diskriminierung zu beenden. Allerdings wurde auch über Gemeinsamkeiten gesprochen. Die USA loteten nach eigener Aussage Bereiche für „Vertrauensbildung“ aus, um die afghanische Bevölkerung zu unterstützen.

Lockerungen des Regimes oder gar ein baldiger Machtwechsel sind aber in weiter Ferne. „Die Taliban sitzen fest im Sattel“, sagt Afghanistan-Experte Thomas Ruttig. Auch wenn laut Zeino von den Pragmatikern innerhalb der Taliban-Regierung kritische Töne etwa zu dem Bildungsverbot für Mädchen zu hören sind, darf diese Strömung nicht unterschätzt werden. „Auch die Pragmatiker sind Fundamentalisten“, fasste Terrorismusexperte Peter Neumann Anfang des Jahres gegenüber dem „Tagesspiegel“ zusammen. Und bislang behalten die Hardliner ohnehin die Oberhand.  (mit dpa)

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