Höcke gegen Behinderten-Eingliederung an Schulen

von Redaktion

Verbände reagieren entsetzt: „Inklusion ist kein Ideologieprojekt, sondern ein Menschenrecht“

Erfurt/München – Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke will Behinderte aus der Regelschule drängen. Im „Sommerinterview“ des MDR sagte Höcke, wir müssten „das Bildungssystem auch befreien von Ideologieprojekten, beispielsweise der Inklusion, beispielsweise auch dem Gender-Mainstream-Ansatz“. Er fügte hinzu: „Alles das sind Projekte, die unsere Schüler nicht weiterbringen, die unsere Kinder nicht leistungsfähiger machen und die nicht dazu führen, dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fachkräfte der Zukunft machen.“

Die Chefin der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt, zeigte sich „entsetzt über die Auslassungen von Herrn Höcke“. Im „Spiegel“ erklärte die Ex-Gesundheitsministerin, das Recht Behinderter, in Regelschulen unterrichtet zu werden, infrage zu stellen, erachte sie als „Tabubruch“: „Angesichts dieser menschenfeindlichen Haltung können wir nur ahnen, wie Herr Höcke mit Menschen mit Behinderung umgehen möchte.“

Auch Anja Bensinger-Stolze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte: „Jedes Kind, jeder Jugendliche hat das Recht, inklusiv – also an einer Regelschule – unterrichtet zu werden.“ Die GEW wende sich „gegen jegliche Ausgrenzung und Selektion“, betonte sie.

Die Bereichsleiterin für Kommunikation der Organisation „Aktion Mensch“, Christina Marx, sagte: „Inklusion ist kein Ideologieprojekt, Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie abzuschaffen ist ein Angriff auf die Menschenwürde.“ Gemeinsames Aufwachsen und Lernen von Anfang an befähigten dazu, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen – genau das brauche eine zukunftsorientierte Gesellschaft mehr denn je.

Deutschland hat 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zum Recht auf gleichberechtigte Teilhabe für alle Menschen bekannt. 2011 beschloss die Kultusminister-Konferenz, „die Grundlage für ein höchstmögliches Maß an gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Bildung“ zu schaffen. Bereits 1994 wurde Artikel 3 des Grundgesetzes um den Satz ergänzt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Damit wurde der Perspektivenwechsel der Politik von der Betrachtung Behinderter als „Objekte von Fürsorge“ zu selbstständig handelnden und zu behandelnden Subjekten vollzogen.

Höcke erklärte im MDR zudem, nach der Landtagswahl in Thüringen Ministerpräsident werden zu wollen, wenn seine Partei die Umfragewerte halte. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Im Parlament ist die AfD isoliert, alle anderen im Landtag vertretenen Parteien lehnen Bündnisse mit ihr ab. Eine Regierungsbeteiligung gilt deshalb derzeit als unrealistisch.

Höcke sagte, „in aller Bescheidenheit“, es gehe nicht um seine Person. In der Vergangenheit hatte sich Höcke auch offen dafür gezeigt, notfalls persönlich auf einen Posten in einer möglichen Landesregierung zu verzichten, wenn das die Voraussetzung dafür ist, dass die AfD in eine Regierungsbeteiligung kommen kann.

Die FDP reagierte scharf auf die Ankündigung. Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte im Sender n-tv, Höcke sei ein „Rechtsextremist, dem nun wirklich der Faschismus aus jeder Pore kommt“. Man brauche Mehrheiten ohne AfD und „möglichst“ auch ohne Linkspartei. K. RIMPEL

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