Grimm fordert neue Renten-Automatik

von Redaktion

Renteneintrittsalter soll mit Lebenserwartung steigen – Scharfer Widerspruch aus der CSU

München/Berlin – Wie lange müssen wir arbeiten? In der Politik setzt mal wieder eine Debatte über die Lebensarbeitszeit und das Rentenalter ein. Nun schlägt eine bekannte Beraterin eine Formel vor, die Rentengrenze automatisch anzupassen – was in anderen Politikfeldern, etwa bei den Einkommensteuertarifen bisher als „Modell auf Rädern“ gepriesen, aber nie umgesetzt wurde. Aus der CSU kommt deutlicher Protest.

„Man sollte die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt an die Lebenserwartung koppeln“, sagt also die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm. „Die Formel in Zukunft könnte sein: Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand“, so ihre Idee gegenüber der Mediengruppe „Funke“. Ausnahmen müsse es bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben. Sie fordert mit Blick auf den Fachkräftemangel zudem, der „Trend zur Frühverrentung“ dürfe sich nicht fortsetzen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen länger arbeiten wollen und auch können, dass also das tatsächliche Rentenalter steigt.“

Grimm ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Nach geltender Rechtslage steigt die Altersgrenze ohne Rentenabschläge schrittweise von 65 auf 67 Jahre. Wer ab 1964 geboren wurde, hat eine Regelaltersgrenze von 67 Jahren. Eine weitere Anhebung hat die Ampel-Koalition bisher ausgeschlossen.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es jetzt nicht mehr nötig haben, das Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag bei einem Bürgerdialog in Erfurt. „Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Ich finde, das ist genug.“ Wenn jemand länger arbeiten wolle, solle er das tun können – „aber nicht weil er muss, sondern weil er oder sie kann“.

Allerdings gibt es auch aus der Koalition andere Stimmen. Zuletzt hatte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) gewarnt, ein regulärer Renteneintritt mit 67 Jahren werde bei gleichbleibendem Wohlstand nicht dauerhaft zu halten sein. In vielen Berufen halte er längeres Arbeiten zunehmend für zumutbar.

Aus der CSU kommt dagegen energischer Protest – vor allem von Sozialpolitikern. So ein Vorschlag „verunsichert die Menschen und löst keines der aktuellen Probleme der Rentenversicherung“, sagte der Chef des Arbeitnehmerflügels CSA, Volker Ullrich, unserer Zeitung. „Wir brauchen eine Debatte darüber, wie sich zusätzliche Arbeit steuerlich stärker lohnt und wie Menschen gesund das derzeitige Renteneintrittsalter erreichen können.“

Was der CSU-Abgeordnete da formuliert, ist indes innerhalb der Union nicht Konsens. Ausgerechnet aus der CDU kam dieses Jahr der erste Aufschlag für eine Erhöhung des Rentenalters. Der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann, inzwischen Generalsekretär der Partei, hatte ein Modell vorgeschlagen, das dem Grimms ähnelt. Von vier Monaten mehr Arbeit pro Jahr zusätzlicher Lebenserwartung sprach Linnemann im April. Und befand: „Ich werde mich dafür einsetzen, weil ich glaube, dass die Menschen nicht blöd sind. Die verstehen das.“  (mit afp)

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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