München – Schon vor einem Jahr war Markus Söder wegen der Forderung aus dem Norden sauer: „Absurd“ nannte er die Idee der norddeutschen Flächenländer, Deutschland in unterschiedliche Strompreiszonen aufzuteilen – zulasten Bayerns. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) fand den Vorschlag sogar „schlicht unverschämt“. Jetzt hat sich die Bundesnetzagentur in den Zoff eingeklinkt. Die Behörde hat sich am Samstag dafür ausgesprochen, Netzentgelte fairer zu verteilen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz findet das richtig. Bürger in windkraftarmen Regionen würden dann mehr für Strom zahlen – und jene im Norden weniger. Für Söder ist das eine Attacke auf den Freistaat.
„Wer diesen Weg geht, wird sich am Ende als Totengräber der süddeutschen Industrie erweisen“, sagt er unserer Zeitung, „und damit den Wohlstand in ganz Deutschland gefährden.“ Der CSU-Ministerpräsident warnte davor, dass Betriebe lieber ins Ausland gehen würden, wo der Strom billiger ist. „Und die Ampel tut nichts dagegen.“
Im Streit zwischen Nord und Süd geht es im Grunde um die Frage, wer die Kosten für die Anbindung von Windrädern schultert. Teile Norddeutschlands haben die Produktion von Windenergie in den vergangenen Jahren so stark ausgebaut, dass sie mehr Strom produzieren, als sie selbst verbrauchen. Hingegen hat sich Bayern lange gegen den Ausbau der Windkraft im Freistaat gewehrt. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, argumentiert nun, dass Bürger in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Brandenburg finanziell besonders stark belastet würden. „Ich treffe keinen Energieminister in den Bundesländern, der dieses historisch gewachsene System noch gutheißt.“ In Regionen mit vielen Windrädern zahlen Bewohner höhere Stromkosten, unter anderem, weil die Kosten für den Anschluss ans Stromnetz wegen der Entfernungen zwischen den Anlagen vergleichsweise hoch sind und auf die regionalen Verbraucher umgelegt werden. Im Bundestag liege ein Gesetzentwurf, der die Netzagentur autorisieren würde, faire Netzentgelte einzuführen, sagt Müller. „Sobald das Gesetz verabschiedet ist, werden wir einen Vorschlag für die Reform machen.“
Söder verweist hingegen auf die Sonnenenergie in Bayern: Der Freistaat sei „Photovoltaik-Meister der Republik“, sagt der Ministerpräsident. „Wir liegen sowohl bei installierter Leistung als auch beim Zubau auf Platz 1.“ Es sei geradezu „absurd“, wie die Ampel und nun auch der Bundeskanzler gerade in diesen Krisenzeiten über Belastungen reden: „Wenn die Industrie erst einmal weg ist, bedeutet das das Ende von Wohlstand und Arbeitsplätzen.“
Über eine Strompreisreform wird schon länger diskutiert. Befürworter argumentieren, dass neue Regelungen für Netzentgelte zu Anreizen für den Ausbau von Erneuerbaren Energien führen könnten. „Das klingt in der Theorie richtig“, sagt Tobias Federico, Chef der Beratungsagentur Energy Brainpool. „Aber in der Praxis wird das nicht funktionieren. Man kann den Wind ja nicht nach Bayern zaubern.“ Der Norden sei schlicht besser für den Ausbau von Windrädern geeignet. Ähnliche Konzepte in Skandinavien oder in Italien, wo Strompreiszonen ebenfalls Anreize für den Ausbau von Erneuerbaren Energien schaffen sollten, seien bislang gescheitert, so der Energieexperte.