Washington/Atlanta – Die Anklageschrift in Georgia hat es in sich: Die Staatsanwaltschaft wirft Donald Trump vor, sich mit Verbündeten verschworen zu haben, um dort das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Eine ähnliche Anklage gegen ihn gibt es bereits auf Bundesebene in der Hauptstadt Washington.
Doch die Anklage aus dem Südosten des Landes sticht heraus. Neben dem 77-jährigen Donald Trump sind 18 weitere Personen angeklagt. Darunter bekannte Gesichter wie New Yorks einstiger Bürgermeister und Trumps früherer Anwalt Rudy Giuliani. Unter den Anklagepunkten ist ein Tatbestand, der üblicherweise bei Mafia-Prozessen zum Einsatz kommt. Denn nach Ansicht von Staatsanwältin Fani Willis haben Trump und seine Mitangeklagten bei ihren Versuchen, den Wahlausgang zu manipulieren, so systematisch wie eine kriminelle Vereinigung agiert. Dafür drohen Trump fünf bis 20 Jahre Haft.
Schon die Stunden vor der Veröffentlichung der Anklage sind bemerkenswert. Denn anders als bei den vorigen Anklagen gegen Trump ist live im Fernsehen zu sehen, wie einem Richter die entscheidenden Papiere vorgelegt wurden.
TV-Kameras sind dabei, als eine Justizangestellte die Papiere durch die Flure des Gerichts trägt. Und womöglich könnte bald auch live im Fernsehen übertragen werden, wenn Trump und die anderen Beschuldigten zur Anklageverlesung erscheinen müssen. In Georgia ist so etwas durchaus üblich.
Die Vorwürfe dort sind wuchtig. Die Anklageschrift hat fast 100 Seiten. Auch der Name Shaye Moss findet sich darin. Sie bekam im vergangenen Jahr nationale Aufmerksamkeit, als sie vor dem Untersuchungsausschuss zur Attacke auf das Kapitol im Kongress aussagte. Menschen hätten sie bedroht, ihr den Tod gewünscht. All das nur wegen der „Lügen“ rund um die Wahl und weil sie ihren Job gemacht habe, sagte Moss damals. Sie war Wahlhelferin in Georgia bei der Präsidentenwahl 2020. Trumps Verbündete behaupteten fälschlicherweise nach der Wahl, dass Helfer wie sie Wahlzettel für Trump weggeworfen und gefälschte Zettel für Biden gezählt hätten. Dabei gerieten Moss und ihre Mutter ins Visier von Trump-Anhängern, weil sie auf einem Video zu sehen waren, das in Umlauf gebracht wurde.
Die Verleumdungen von Wahlhelfern sind nun ein Puzzlestück in der Anklage gegen Trump und seine Getreuen. Weltweit Schlagzeilen machte damals aber vor allem ein Anruf, in dem Trump höchstpersönlich seinen republikanischen Parteikollegen – Georgias obersten Wahlaufseher, Brad Raffensperger – dazu aufrief, genügend Stimmen für ihn „zu finden“.
Staatsanwältin Fani Willis aus Fulton County in Georgia ermittelte mehr als zwei Jahre lang gegen Trump und seine Verbündeten. Die Demokratin war kurz nach der Präsidentenwahl ins Amt gekommen. Die 52-Jährige wird seitdem von Trump heftig angegriffen und beleidigt.
Fachleuten zufolge könnte es für Trumps Team in Georgia deutlich schwieriger sein, das Verfahren maßgeblich zu verzögern. Selbst wenn er es schaffen sollte, einen Prozess in die Länge zu ziehen, bis er eines Tages möglicherweise selbst wieder im Weißen Haus sitzt, dürfte er die Ermittlungen nicht einfach abschütteln können.
Denn auf Ebene eines Bundesstaats kann er nicht einfach beliebig einen neuen Staatsanwalt einsetzen, der die Anklage fallen lässt. Ähnlich sieht es beim Thema Begnadigung aus: Im Bund kann ein Präsident zwar Begnadigungen verfügen, auch für sich selbst, in einem Bundesstaat aber nicht.
Trumps Anwälte versuchten in den vergangenen Monaten bereits, die Ermittlungen in Georgia mit juristischen Kniffen auszubremsen. Trumps Reaktion auf die Anklage: „Warum haben sie nicht schon vor 2,5 Jahren Anklage erhoben? Weil sie es mitten in meiner Wahlkampagne tun wollten. Hexenjagd!“