Die Ampel zurück im Streit-Modus

von Redaktion

VON THERESA MÜNCH UND STELLA VENOHR

Berlin – Nach der Sommerpause sollte alles besser werden, das hatte sich die Ampel-Koalition vorgenommen. Weniger Streit, weniger Hickhack, mehr Geschlossenheit. Oder „weniger laut, aber weiter mit Ergebnissen“, wie Kanzler Olaf Scholz es ausdrückte. Gehalten hat der Vorsatz nur kurz, gleich in der ersten Kabinettssitzung der Rückfall: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) blockiert ein Gesetz mit Steuererleichterungen für Unternehmen, um mehr Geld für Familien rauszuschlagen.

Das sogenannte Wachstumschancengesetz mit rund 50 Steuererleichterungen für Firmen sollte die ins Stocken geratene Konjunktur ankurbeln. Sechs Milliarden Euro Entlastung für die Wirtschaft, so der Plan von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzte noch eine Ergänzung durch und stimmte zu. Es gebe „große Einigkeit“, sagte seine Sprecherin noch am Mittwoch.

Doch in letzter Sekunde blockierte die Grünen-Ministerin das Vorhaben. Man könne nicht so viel Geld in die Wirtschaft stecken, aber nicht mehr in die Kindergrundsicherung, argumentierte Paus nach Angaben aus Regierungskreisen.

In der FDP ist die Rede von einem Erpressungsversuch – Paus weist diesen Vorwurf entschieden zurück. Sie halte nichts davon, „wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen oder höhere Verteidigungsausgaben gegen mehr Mittel für armutsbedrohte Familien auszuspielen“, sagte sie der „Welt“. Auch der Streit um die Finanzierung der Kindergrundsicherung schwelt in der Ampel schon lange. Die Bundesregierung will sie noch in dieser Legislaturperiode einführen. Familien sollen so leichter an staatliche Leistungen kommen. Doch vor allem die Grünen wollen durchsetzen, dass Leistungen auch erhöht werden. Dafür reicht das von Lindner bewilligte Geld nicht aus.

Zuletzt hatte Scholz ein schriftliches Machtwort gesprochen und Paus aufgefordert, bis Ende August einen in der Regierung geeinten Gesetzentwurf vorzulegen. Dieser sei „in den letzten Zügen“, sagte Paus Anfang der Woche. Bei ihrer Klausurtagung auf Schloss Meseberg wollten Kanzler und Minister einen Schlussstrich ziehen.

Nun soll genau zu diesem Termin auch das blockierte Wachstumschancengesetz beschlossen werden. Im Finanzministerium geht man davon aus, dass es durchgeht – möglicherweise sogar noch erweitert um Maßnahmen für mehr Wohnungsbau. Es habe schließlich „keinerlei inhaltliche Einwände, von keinem Ressort“ gegen den Gesetzentwurf gegeben.

Was im Finanzministerium besonders aufstößt, ist, dass die Grünen nicht mit einer Stimme sprechen. Immer wieder wird betont, dass man sich mit Habecks Wirtschaftsministerium einig gewesen sei. „Insbesondere der grüne Koalitionspartner ist nun gebeten, intern seine Prioritäten zu klären und eine gemeinsame grüne Position in die Koalition einzubringen“, so der Appell. FDP-Fraktionschef Christian Dürr regte sich auf: „Dass ein Koalitionspartner intern so unterschiedliche Auffassungen bei einer so zentralen Frage hat, macht mich sprachlos.“

Man hört raus: Hätten alle fünf grünen Minister das Gesetz torpediert, stünde man wohl vor einer ausgewachsenen Koalitionskrise.

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