Madrid – Pedro Sánchez macht seinem Ruf als politisches „Stehaufmännchen“ in Spanien wieder einmal alle Ehre. Dreieinhalb Wochen nach der Niederlage seiner Sozialisten (PSOE) bei der Parlamentswahl wurde seine Kandidatin, Francina Armengol, am Donnerstag überraschend mit absoluter Mehrheit zur neuen Parlamentspräsidentin gewählt.
Trotz der Wahlpleite am 23. Juli werden damit die Aussichten von (Noch-)Regierungschef Sánchez im Madrider Regierungssitz bleiben zu dürfen, wieder um einiges besser. „Dieser überraschende Etappenerfolg ebnet Sánchez den Weg für eine weitere Amtszeit“, sagte Politologin Paola Cannata im TV-Sender RTVE. Denn um seine Regierung fortsetzen zu können, braucht Sánchez neben der Unterstützung mehrerer anderer Parteien vor allem einen Schulterschluss mit den radikalsten unter den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern: der Partei Junts des in Brüssel im Exil lebenden Separatisten-Chefs Carles Puigdemont.
Hier galt ein Abkommen bisher als unwahrscheinlich. Aber die sieben Junts-Abgeordneten votierten am Donnerstag alle für Armengol. Das zeigt: Trotz aller Differenzen gibt es einen funktionierenden Kommunikationskanal zwischen PSOE und Junts.
Als sicher gilt, dass Puigdemont & Co. für eine Wiederwahl von Sánchez zum Ministerpräsidenten noch mehr verlangen dürften. In einer jüngsten Mitteilungen forderte Puigdemont, in Spanien immer noch ein Justizflüchtling, „nachweisbare“ Zugeständnisse von Sánchez. Das könnten etwa Amnestien oder mehr Selbstverwaltung sein.
Nach den konstituierenden Sitzungen des Unterhauses und des Senats werden die Gespräche zwischen den Parteien zur Regierungsbildung nächste Woche in die entscheidende Phase treten. Die Gefahr einer monatelangen politischen Hängepartie der EU, die zudem derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, ist immer noch nicht gebannt.
EMILIO RAPPOLD