Rechenspiele um die Nato-Vorgabe

von Redaktion

Zwei-Prozent-Ziel: Jährliche Festschreibung aus Haushaltsfinanzierungsgesetz gestrichen – Baerbock gab Ausschlag

München/Berlin – Rund 18 Monate liegt die „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz (SPD) zurück. Damals kündigte der Kanzler unter anderem an, „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts“ in die Verteidigung zu investieren. Doch anders als im Februar 2022 ist der Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine inzwischen nicht mehr ganz so frisch. Das merkt man auch daran, dass der Versuch von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die jährliche Einhaltung der Zwei-Prozent-Quote tatsächlich gesetzlich zu verankern, nun gescheitert ist. Die Passage wurde aus dem Haushaltsfinanzierungsgesetz getilgt, bevor das Kabinett es am Mittwoch verabschiedete. Es bleibt damit dabei, dass das Ziel lediglich „im mehrjährigen Schnitt von maximal fünf Jahren“ erreicht werden muss. Was letztlich bedeutet: Wenn es einmal nicht klappt, gibt’s eben nächstes Jahr mehr – oder übernächstes.

Der Hintergrund: Vor allem in Pistorius’ eigener SPD und bei den Grünen gibt es Vorbehalte gegen eine jahresscharfe Investitionsverpflichtung. Argumentiert wird unter anderem damit, dass das Bruttoinlandsprodukt als Bezugsgröße selbst zu stark schwanken könne, und dass die Haushaltshoheit ohnehin beim Parlament liege. „Ich sehe keine Notwendigkeit, beim Zwei-Prozent-Ziel gesetzlich nachzusteuern“, sagte SPD-Haushaltsexpertin Wiebke Esdar Anfang der Woche dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Berichten zufolge war es letztlich das Auswärtige Amt von Annalena Baerbock (Grüne), das sich endgültig gegen die gesetzliche Festschreibung im Haushalt stellte.

Das alles heißt nicht, dass Deutschland nicht viel Geld in seine Verteidigung steckt. Fast 52 Milliarden Euro sind im Bundeswehr-Haushalt veranschlagt. Weitere 19 Milliarden Euro fließen für 2024 aus dem 100 Milliarden Euro schweren „Sondervermögen Bundeswehr“. Doch um das Zwei-Prozent-Ziel 2024 tatsächlich zu erreichen, muss offenbar schon diesmal getrickst werden. Neben Ukraine-Hilfen und Zinsbelastungen werde sogar überlegt, Posten wie die „Versorgung von Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee“ miteinzurechnen, um so die fehlenden 14,5 Milliarden zusammenzukratzen, berichtet die „Bild“ mit Bezug auf ein internes Papier. Und sobald in den kommenden Jahren das Sondervermögen absehbar aufgebraucht sein wird, dürfte das – gelinde ausgedrückt – noch schwerer werden.

Der Grund für derlei Rechenspielchen liegt vor allem in der Außenwirkung. Denn die Nato-Verbündeten, die wie zum Beispiel Polen teilweise selbst stark aufrüsten, schauen genau darauf, ob Deutschland seine Versprechen einhält – allen voran die USA. Das gilt schon unter der Regierung Biden. Eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus nach der US-Wahl Ende 2024 würde den Konflikt aber wohl noch stark verschärfen. Unvergessen sind die fast schon wutschnaubenden Tiraden des Republikaners gegen das in seinen Augen drückebergerische Deutschland: „Sie zahlen nicht, was sie zahlen müssen.“ SEBASTIAN HORSCH

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