München – Die Bundesfamilienministerin macht am Freitag noch einmal Werbung für ihr Projekt. Die geplante Kindergrundsicherung sei „eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und in unseren Wohlstand“. Zu dem Schlamassel, in dem die Regierung maßgeblich auch aufgrund ihrer jüngsten Entscheidungen steckt, schweigt Lisa Paus hingegen. Die herbeibestellten Journalisten werden vertröstet. Heute bitte keine Fragen, Termine, Sie verstehen.
Paus hat am Mittwoch mit einem Knall dafür gesorgt, dass die Ampel direkt nach der Sommerpause schon wieder als hoffnungslos zerstrittene Koalition erscheint. Die Grüne legte im Kabinett ihr Veto, den sogenannten „Leitungsvorbehalt“, gegen die geplante Wirtschafts-Unterstützung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ein. Und das, obwohl das ebenfalls grüne Bundeswirtschaftsministerium von Vize-Kanzler Robert Habeck zuvor schon sein Einverständnis zu Lindners „Wachstumschancengesetz“ gegeben hatte. Paus knüpft nun ihre Zustimmung offenbar daran, dass Lindner für eine Ausweitung der Kindergrundsicherung deutlich mehr Geld zur Verfügung stellt als die bisher eingeplanten zwei Milliarden Euro. Die Ministerin hatte in der Vergangenheit einmal von zwölf Milliarden gesprochen, die sie brauche, später noch von sieben Milliarden Euro.
„Es ist nicht hilfreich, ganz unterschiedliche Vorhaben sachfremd miteinander zu verknüpfen“, sagte nun hingegen Lindner der „FAZ“– und rechnete vor, warum er von einer zu starken Ausweitung der Leistungen wenig hält: „Eine fünfköpfige Familie, die Bürgergeld bezieht, erhält heute schätzungsweise 36 000 bis 38 000 Euro im Jahr vom Steuerzahler.“ Es helfe wenig, nun zusätzliche hohe Transfers zu zahlen, seien es 1000 oder gar 3000 Euro im Jahr. Denn, so der Finanzminister: „Überproportional viele dieser Familien haben eine Einwanderungsgeschichte und stehen zunächst nur theoretisch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, weil ihnen die Qualifikationen fehlen.“
Verglichen mit den Aussagen einiger seiner Parteifreunde war das noch eine höfliche Kritik von Lindner. Die FDP schäumt. Und auch die Grünen leiden unter dem Eklat – denn zumindest Habeck sieht beschädigt aus. Auch wenn führende Parteimitglieder am liebsten den Eindruck erwecken würden, als wäre nicht viel passiert.
Die SPD blickt hingegen einigermaßen schockiert auf die Geschehnisse. Die Aufgabe der Regierung sei es, Stabilität und Orientierung zu geben. „Ich dachte eigentlich, dass alle das verstanden haben“, sagte Parteichef Lars Klingbeil. Dass das offenkundig doch nicht der Fall sei, „das hat mich sehr fassungslos gemacht“. Er erwarte nun, dass das Kabinett das auf seiner Klausur Ende August in Meseberg bereinige. Da Paus mittlerweile auch einen Gesetzentwurf vorgelegt hat – sogar in mehreren Varianten –, ist das wohl tatsächlich konkreter möglich als zuletzt.
Während nun also auch der von der Ampel geplante Konjunktur-Antrieb noch etwas auf sich warten lässt, hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bereits ein umfassenderes Programm angemahnt, um Deutschland und seine schwächelnde Wirtschaft wieder international wettbewerbsfähig zu machen. Das Land brauche „ein Gesamtkonzept, eine Agenda 2030“, sagte er. S. HORSCH