US-Zweifel am Erfolg der Offensive

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

Washington/Kiew – Die US-Geheimdienste glauben offenbar nicht mehr an den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive. Das Hauptziel Kiews, die russisch besetzte Stadt Melitopol zu erobern und so die Landverbindung zur Halbinsel Krim zu unterbrechen, sei wegen der von Russland angelegten Minenfelder und Schützengräben in der Region nicht mehr zu erreichen, erklärten US-Geheimdienstkreise gegenüber der „Washington Post“.

Melitopol liegt an der Kreuzung zweier wichtiger Autobahnen und einer Eisenbahnlinie, die es Russland ermöglichen, Militär und Ausrüstung von der Krim in andere besetzte Gebiete im Süden der Ukraine zu transportieren.

Die Ukraine weist alle Spekulationen über ein Scheitern ihrer Offensive entschieden zurück. Politiker und Militärs verweisen auf aktuelle Erfolge wie die Eroberung des strategisch wichtigen Ortes Uroschajne im Süden der Ukraine.

„Die Ukrainer wollen kämpfen und ihr Land zurückerobern, davon wird sie niemand in Washington, Berlin oder Paris abhalten können. Wenn wir in dieser Gegenoffensive nicht alle unsere Ziele erreichen, wird es eine weitere Offensive im Frühjahr 2024 geben“, so ein ukrainisches Regierungsmitglied gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Fakt ist: Die Ukraine hat nur noch gut zwei Monate Zeit, mit der Gegenoffensive deutliche Geländegewinne zu erzielen. Schon ab November ist mit Schnee und Kälte zu rechnen, was weitere Offensiven erst wieder ab dem Frühjahr möglich macht.

Im Hintergrund haben die gegenseitigen Schuldzuweisungen für die mangelnden militärischen Fortschritte der Ukraine schon begonnen. Aus dem Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heißt es, dass die zögerlichen westlichen Waffenlieferungen erst den Ausbau der russischen Verteidigungspositionen ermöglicht haben, die dem ukrainischen Militär jetzt so große Probleme bereiten.

US-Politiker und Militärs machen hingegen einen Strategiewechsel des ukrainischen Militärs für die Probleme verantwortlich: Angesichts der extrem hohen Opferzahlen in der Anfangsphase der Offensive beschloss Kiew, nur noch mit kleineren Einheiten an verschiedenen Orten vorzustoßen. Westliche Militärs sind hingegen der Ansicht, dass nur mit einem fortdauernden massiven Vorstoß die russische Verteidigungslinie durchbrochen werden könne – selbst wenn dies hohe Verluste auf ukrainischer Seite bedeute.

Auch in den USA hat angesichts des pessimistischen Geheimdienst-Berichts schon das Schwarze-Peter-Spiel begonnen: Einige Republikaner, aber auch Falken unter den Demokraten, werfen der Biden-Regierung vor, die Ukraine nicht früher und massiver mit Waffen unterstützt zu haben.

Gleichzeitig stellt ein anderer Teil der Republikaner angesichts der bescheidenen Erfolge Joe Bidens 13-Milliarden-Dollar-Paket infrage, mit dem Washington Kiew zusätzlich unterstützen will. Vergangene Woche hatte Biden den US-Kongress um Freigabe des Milliarden-Pakets für weitere Rüstungsgüter gebeten. Am Freitag sicherte Washington zu, eine schnelle Weitergabe von Kampfjets des Typs F-16 durch Dänemark und die Niederlande an die Ukraine zu ermöglichen. Die USA müssen die Übergabe der Militärjets an die Ukraine genehmigen, weil die Maschinen von der US-Firma Lockheed Martin gebaut werden und sensible Technologie an Bord haben.

Ein führender US-Regierungsvertreter beteuert, dass die militärische Lage der Ukraine auch bei einer früheren Lieferung der F-16-Jets oder von Langstreckenraketen nicht besser wäre. Gegen die massiven russischen Verteidigungslinien wären diese Waffen „kein Allheilmittel“.

Der Westen sei schuld, klagt Kiew

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