Bürokratie in Deutschland

Einfache Diagnose, schwierige Therapie

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Es kommt nicht oft vor, dass sich Stephan Weil mal bundespolitisch zu Wort meldet. Deshalb hört man erst einmal umso genauer hin, wenn der in Niedersachsen beliebte Ministerpräsident seinem SPD-Parteifreund Olaf Scholz öffentlich ins Gewissen redet. „Eine Art Mehltau“ liege über dem Land, klagt Weil. Und macht das an Bürokratie, Überregulierung und der ewigen Dauer von Verfahren fest. „Es kann nicht sein, dass sich jedes Infrastrukturprojekt zur Generationenaufgabe auswächst.“

Recht hat er! Aber ganz ehrlich: Bahnbrechend neu ist Weils Erkenntnis nicht. Und konkrete Vorschläge zur Lösung bleibt er schuldig. Dass vermeintlich einfache Sachverhalte durch europäische Vorgaben und juristische Zwänge erschwert werden, ist ein Problem in allen Ländern des Kontinents. Deutschland aber „hat eine außergewöhnliche Vorliebe dafür, sich selbst zu sabotieren“, wie es der „Economist“ eben sehr schön formuliert hat. Und gerade die „Ampel“ verkompliziert die Welt mit (teils gut gemeinten) Vorgaben noch einmal zusätzlich. Da droht selbst die Legalisierung von Cannabis zu einem fast absurden Bürokratiemonster zu werden.

Wo also ist die Lösung? Vielleicht sollte man nicht alles Juristen überlassen, die selbst für bürokratischste Vorgaben noch beste Erklärungen finden. Zudem wäre das oft selbstgerechte Deutschland gut beraten, mal über den Tellerrand hinauszuschauen, welche Lösungen andere EU-Länder finden – weil nicht jedes Detail vorab geregelt wird, weil nicht alles dokumentiert werden muss, weil nicht alles durch Klagen blockiert werden kann, weil Verfahren digital ablaufen. Wer Bürokratie abbauen will, muss unangenehme Debatten führen. Nötig wäre es.

Mike.Schier@ovb.net

Artikel 9 von 11