Seit rund 20 Jahren bastelt Deutschland an der Digitalisierung seines Gesundheitswesens. In Reihenfolge waren die Minister Ulla Schmidt (SPD), Philipp Rösler (FDP), Daniel Bahr (FDP), Hermann Gröhe (CDU), Jens Spahn (CDU) und jetzt Karl Lauterbach (SPD) damit betraut. Es ist eine lange Geschichte des Scheiterns.
Lauterbach versucht es nun mit der Brechstange. Nur wer aktiv widerspricht, soll verhindern können, dass eine elektronische Patientenakte für ihn angelegt wird. Dass es prompt Kritik vom Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber gibt, war zu erwarten. Dessen Job ist es schließlich, einen skeptischen Blick darauf zu werfen, wenn irgendwo Informationen in großer Menge gesammelt werden. Doch der Datenschutz darf nicht wieder zum Totschlagargument für den dringend nötigen Wandel werden. Die von Kelber angesprochenen Probleme lassen sich lösen – zum Beispiel durch Möglichkeiten für Patienten, einzelne Informationen zu verschatten. Auch auf der technischen Seite ist noch Arbeit zu tun. Die vom Bund beauftragte Gematik muss sicherstellen, dass Arztpraxen nicht wie bisher immer wieder an Systemabstürzen verzweifeln.
Eines ist klar: Deutschland kann es sich nicht leisten, die Gesundheits-Digitalisierung viele weitere Jahre zu verschleppen. Gelingt auch unter Lauterbach nicht der entscheidende Schritt, wäre das eine Bankrotterklärung. Dann stünde auch die Frage im Raum, ob es nicht sogar einen kompletten Neuanfang braucht. Zwei Jahrzehnte wären verschenkt worden.
Sebastian.Horsch@ovb.net