In Johannesburg kommen die Staatsoberhäupter der Brics-Staaten Brasilien, Indien, China und Südafrika zusammen. Im Interview erklärt die China-Expertin Eva Seiwert von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, welche Ziele Peking dabei verfolgt.
Frau Seiwert, wie wichtig ist die Brics für Chinas Staatschef Xi Jinping, um Pekings politische Ziele durchzusetzen?
China sieht und nutzt die Brics bislang vor allem als wirtschaftliches Forum. Jetzt, wo so viele Staaten, die wirtschaftlich teilweise nur geringen Einfluss haben, Interesse an einer Mitgliedschaft bekunden, wird die Brics aber auch als geopolitische Plattform immer wichtiger. China will die Brics als Alternative zu westlichen, multilateralen Formaten etablieren.
Wie steht China zur möglichen Brics-Erweiterung?
Chinas Macht innerhalb der Brics würde proportional natürlich kleiner, sollten weitere Staaten aufgenommen werden. Dennoch scheint Peking einer Erweiterung aufgeschlossen gegenüberzustehen. Eine Organisation mit 40 Mitgliedern hat einen ganz anderen geopolitischen Einfluss, als wenn ihr nur fünf Länder angehören.
Allerdings sind schon die aktuellen Mitgliedsländer extrem unterschiedlich. Indien ist eine Demokratie, China eine Diktatur – und beide Staaten pflegen alles andere als gutnachbarliche Beziehungen.
Die Gründungsstaaten der Brics waren lange Zeit aufstrebende Schwellenländer. Zudem gehören sie alle zum Globalen Süden und sind unglücklich über die Dominanz des Westens. Diese Gemeinsamkeiten bringen selbst Staaten wie China und Indien zusammen. Trotz aller Gegensätze haben beide eine gemeinsame Vorstellung davon, wie die internationale Ordnung aussehen soll. Prinzipien wie die Souveränität der Staaten und die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten sind für beide Länder entscheidend. Dennoch glaube ich nicht, dass die Brics-Staaten eine „neue Weltordnung“ schaffen wollen, wie manche befürchten.
Schon jetzt versucht China allerdings, bestehende Institutionen wie die UN umzubauen.
Das stimmt, und das ist zunächst auch verständlich. Die meisten multilateralen Organisationen wurden im letzten Jahrhundert gegründet und sind sehr stark westlich dominiert. Das findet nicht nur China unfair, auch viele andere Länder des Globalen Südens sehen das so.
Gleichzeitig hat China vom internationalen System, wie es der Westen geprägt hat, massiv profitiert.
Ja, Und nicht nur wirtschaftlich. Deswegen will China das System auch nicht komplett umstürzen. China ist, anders als Russland, keine revisionistische Macht. Peking will das internationale System aber an jenen Stellen umkrempeln, wo es glaubt, benachteiligt zu werden. Die liberalen Demokratien müssen genau überlegen, was sie dem entgegenhalten können.
Und zwar?
Einerseits sollten sie ihre eigenen multilateralen Formate auch für Staaten des Globalen Südens öffnen. Andererseits ist es notwendig, dass die westlichen liberalen Demokratien ihre eigene Politik selbstkritisch reflektieren. So werfen einige Länder des Globalen Südens den westlichen Demokratien regelmäßig Doppelstandards vor. Nur weil China und Russland diesen Vorwurf für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren, bedeutet dies nicht automatisch, dass er gänzlich unwahr und somit nicht ernst zu nehmen ist. Viele Staaten schätzen die westlichen Demokratien nicht als vertrauenswürdiger ein als China.
Interview: Sven Hauberg