München – Gut sechs Jahre lang schien die Gefahr des islamistischen Terrors in Deutschland gebannt – seit dem Niedergang des IS Ende 2017 bereitet die Terrorgruppe kaum noch Angst und Schrecken. Jüngste Anschlagspläne zeigen aber, dass Deutschland nach wie vor im Visier von IS-Anhängern ist. „Radikalisierte Einzeltäter oder zielgerichtet eingeschleuste Gruppen sind nach wie vor in der Lage, Terroranschläge in Deutschland zu begehen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz des Verfassungsschutzes.
Islamismus: Ende April nahm die Polizei zwei syrische Brüder in Hamburg und Kempten fest, weil sie planten, mit Sprengstoffgürteln Kirchenbesucher in Schweden zu töten. Anfang Juli hoben Ermittler eine Terrorzelle des IS-Ablegers Khorasan in NRW aus. „Besonders perfide: Die Festgenommenen haben sich als ukrainische Flüchtlinge ausgegeben“, sagt Herrmann.
Rechtsextremismus: Seit einem Jahr beobachtet der Bayerische Verfassungsschutz jetzt die AfD – es gelte nun aufzuklären, ob und inwieweit die „AfD als Gesamtpartei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt“, so Herrmann. „Durch die Beobachtung kann festgestellt werden, in welche Richtung sich die Partei bewegt.“ Allerdings würden nicht alle Funktionäre beobachtet – Landtagsabgeordnete etwa seien ausgenommen. Auffällig sei, dass die rechtsextremistische Szene nicht nur gegen Migranten, sondern auch immer mehr gegen „Homosexuelle und diverse Lebensentwürfe“ hetze. Ein Beispiel sei die „Drag-Queen-Lesung“ vor einigen Wochen in München, wo AfD-Anhänger Angehörige der queeren Community als „potenzielle Pädophile“ bezeichneten. Reichsbürger: Die Szene der Reichsbürger im Freistaat werde immer größer, so der CSU-Minister. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hätten Ermittler 5505 Reichsbürger erfasst – Ende letzten Jahres waren es noch 5360. Bis zu 470 Anhänger würden zum „harten Kern“ gehören, sagt Herrmann. Er warnte vor der Waffenaffinität der Szene: Sie sei in Teilen auch zum „tatsächlichen Einsatz von Waffen gegenüber staatlichen Repräsentanten“ bereit. Linksextremismus: Die linksextremistische Szene versuche immer mehr, Anschluss an „zivile Initiativen“ wie die Letzte Generation zu finden, sagt der Innenminister – „bisher ohne Erfolg“. Man stelle bisher nicht fest, dass „linksextremistische Kräfte“ bei der Letzten Generation Oberhand gewinnen, heißt es vom Verfassungsschutz. Im ersten Halbjahr wurden 162 linksextremistische Straftaten im Freistaat gezählt, darunter 20 Gewaltdelikte.
Cybersicherheit: Seit Beginn des Ukraine-Krieges hätten Spionage-Aktivitäten aus Russland deutlich zugenommen, sagt Herrmann – etwa bezüglich der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Bayern. Auch die Verbreitung von Propaganda und Desinformationen aus Russland stelle ein immer größeres Problem dar, meint der Innenminister. Zudem würden auch aus China seit Jahren „Spionage- und Einflussaktivitäten“ festgestellt. K. BRAUN