Flugblatt-Affäre

Endspiel zwischen Söder und Aiwanger

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Markus Söder verlangt von seinem Vize Hubert Aiwanger die Beantwortung von 25 Fragen, und das ziemlich ultimativ. Das soll Stärke vortäuschen, verrät aber nur die schlimme Bredouille, in der der CSU-Chef steckt: Weder kann er den Freie-Wähler-Chef (schon) jetzt feuern, weil er ihn so vom mutmaßlichen Täter (auch spätes Leugnen ist eine Tat) zum Märtyrer machen würde. Noch kann er ihm die wenig glaubhaften Ausreden durchgehen lassen, weil sich die CSU dann zum Gespött machte und keine ehrbare, bundesweit geachtete Partei mehr wäre. Schon jetzt sind die Granden der Strauß-Stoiber-Waigel-Partei deswegen in hellster Aufregung. Schweren Schaden fügt der Skandal ja nicht nur dem Ansehen Bayerns zu, wie Söder richtig feststellt. Auch der Staatspartei CSU selbst drohen, wenn sie gute Miene zu Aiwangers Schmierenstück macht, dramatische Folgen, nämlich der Verlust ihrer liberalen und urbanen Wählermilieus. Söder würde damit selbst zum Geächteten, von einer späteren Kanzlerkandidatur ganz zu schweigen.

In dieser Lage bleibt dem Ministerpräsidenten wohl nur das gestern eröffnete Spiel auf Zeit. Ein starkes Signal wäre die Einsetzung eines Sonderermittlers gewesen. Der stattdessen präsentierte Fragenkatalog an Aiwanger bleibt dahinter ein gutes Stück zurück, auch wenn er unter Koalitionären einzigartig und ein Dokument der Zerrüttung der Bayernkoalition ist. Zugleich ist es die als Angebot daherkommende Drohung an die Freien Wähler, sie sollten sich – wenigstens nach der Wahl – von ihrem Zugpferd lösen, um die Koalition mit der CSU ohne Aiwanger fortzusetzen. Dass es so kommt, scheint derzeit freilich wenig wahrscheinlich angesichts der Verve, mit der sich die Freien zuletzt mit Aiwanger solidarisierten. Dessen Versuche, sich als unschuldiges Opfer zu inszenieren, nehmen die braven Freien Wähler mit derselben stoischen Ergebenheit hin, wie die Anhänger Trumps dessen Lügen akzeptieren. Doch werden auch sie dafür auf längere Sicht einen hohen Preis zu zahlen haben.

Es stimmt: Die Bayern wollen in ihrer riesengroßen Mehrheit eine bürgerliche Regierung, vor allem wollen sie die Grünen mit ihrer bevormundenden Art nicht auch im Freistaat an den Schalthebeln sehen. Rückblickend gesehen entpuppt sich Söders frühe und unbedingte Festlegung auf den Koalitionspartner FW (und seine Absage an die FDP) dennoch als strategisches Unglück: Er hat sich damit dem immer mehr zum Rechtspopulisten gewandelten Aiwanger ausgeliefert, ohne diesen noch mit Hinweis auf andere Koalitionsoptionen disziplinieren zu können. Jetzt befindet sich der CSU-Chef in derselben ungemütlichen Lage wie der österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz mit der Strache-FPÖ oder der frühere Hamburger CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit der Schillpartei. Die Geschichte lehrt: Am Ende kommt immer der Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht mit rechten Populisten und christliche Demokraten sich zwischen teuer erkaufter Macht und Selbstachtung entscheiden müssen.

Eigentlich kann Söder nur beten: dass die von ihm lange und mit Inbrunst so bekämpfte FDP am 8. Oktober stark abschneidet und ihn und seine CSU aus ihrer gefährlichen Geiselhaft befreit.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

Artikel 1 von 11