Wie die Ampel die Kurve kriegen will

von Redaktion

VON MICHAEL FISCHER UND THERESA MÜNCH

Meseberg – Die Bundesregierung will der deutschen Wirtschaft in der aktuellen Flaute stärker unter die Arme greifen. Dafür legten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag einen 10-Punkte-Plan vor. Geplant sind unter anderem steuerliche Entlastungen für Unternehmen von jährlich sieben Milliarden Euro bis 2028 und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Der von der SPD-Bundestagsfraktion und den Grünen geforderte Industriestrompreis zur Abfederung der hohen Energiekosten kommt in dem Papier aber nicht vor.

Im Kern gehe es darum, „dass Investitionen jetzt getätigt und nicht aufgeschoben werden“, sagte Scholz. Habeck beschrieb die wirtschaftspolitische Lage als anspruchsvoll. „Sie ist jedenfalls nicht so, dass man sagen kann: Wirtschaft macht die Wirtschaft und die Politik hält sich raus“, betonte er. Die Angst: Dass Unternehmen zu wenig in ihre Zukunft und den Klimaschutz investieren und dass der Wohnungsbau noch weiter zurückgeht.

Am Mittwoch soll das sogenannte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Lindner mit zwei Wochen Verspätung beschlossen werden. Damals scheiterte es am Veto von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), die mehr Geld für ihre Kindergrundsicherung forderte. Inzwischen stehen die Vorzeichen anders: Die Ampel hat sich auf Grundzüge der Kindergrundsicherung geeinigt.

Den Aufschub nutzten die Ministerien, um dem Gesetz ein Update zu verpassen. Neu: eine 500 Millionen Euro schwere Konjunkturspritze gezielt für den Wohnungsbau durch erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten. Das fördert eine schnellere Refinanzierung und soll Investitionsanreize setzen, die die Bauwirtschaft stabilisieren. Auch die steuerliche Anrechnung von Verlusten wird noch einmal etwas ausgeweitet.

Lindners Gesetz bildet den Kern des 10-Punkte-Plans, der sonst viele Vorhaben enthält, die sich die Bundesregierung schon lange auf die Fahnen geschrieben hat. Dazu gehört der Ausbau der Stromproduktion aus Sonne und Wind, mehr Digitalisierung und die Anwerbung von Fachkräften.

Die prekäre Wirtschaftslage und Rezepte zur Besserung dominieren inhaltlich die Klausurtagung. „Es muss jetzt im gesamten politischen Handeln die strategische Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes in den Mittelpunkt gestellt werden“, forderte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Ob die Industrie dabei auf einen staatlich subventionierten Strompreis setzen kann, blieb am Dienstag zunächst völlig offen. Bis zum Nachmittag hatten die Minister dieses Thema nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht einmal angeschnitten.

Dabei sind die Gräben groß: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warb am Dienstag noch einmal für seine Idee. Im ARD-„Morgenmagazin“ warnte er vor Konsequenzen, falls diese Entlastung nicht kommt: „Ich sage nicht, dass die chemische Industrie, die Grundstoffindustrie dann morgen aus Deutschland verschwindet. Aber sie werden dann nicht in den Standort weiter investieren und perspektivisch dann Deutschland verlassen.“

Die FDP lehnt die Subvention ab, Scholz ist ebenfalls skeptisch. Die Grünen sind hingegen dafür, und auch Scholz’ SPD-Fraktion beschloss am Montag ein Konzept für einen Industriestrompreis. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

Scholz wird hoffen, dass diese nächste zu erwartende Auseinandersetzung leiser verläuft als die letzte. Vor Beginn der Klausur rief er seine Minister erneut zu besserer Kommunikation auf. „Wir haben eine sehr erfolgreiche Leistungsbilanz im letzten und diesem Jahr und es wäre natürlich gut, wenn alle mit ihren Kommunikationsstrategien dazu beitragen“, sagte er.

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