VON GEORG ANASTASIADIS
Spät und unter höchstem Druck hat Hubert Aiwanger sich doch noch zu der überfälligen Entschuldigung durchgerungen – dabei aber das Kunststück fertiggebracht, offenzulassen wofür. Noch immer gibt der Freie-Wähler-Chef vor, sich nicht an das zu erinnern, was Mitschüler über ihn berichten, etwa die Hitlergrüße und Judenwitze. Falls, durch was auch immer, „Gefühle verletzt“ worden seien, bereue er das zutiefst. Man kann ihm das gewiss glauben. Doch auch wenn man Aiwanger zubilligt, dass er nicht mehr der ist, der er vor 35 Jahren war, hätte bedingungslose Ehrlichkeit nach Tagen des Dementierens und Herumlavierens nach etwas weniger Erinnerungslücken verlangt.
So war Aiwangers Entschuldigung eine vorrangig taktische mit dem Ziel, aus dem Stand heraus wieder zum Gegenangriff überzugehen: Er solle, schloss Aiwanger, durch eine Kampagne politisch und persönlich „fertiggemacht“ werden. Doch irrt der bayerische Wirtschaftsminister, wenn er die Drahtzieher der vermuteten Intrige in der CSU verortet. Daran, dass kurz vor der Wahl die Bayernkoalition in die Luft fliegt, hätte niemand weniger Interesse gehabt als Markus Söder. Beim CSU-Chef liegt nun wieder der Schwarze Peter, nachdem er Aiwanger zuvor mit seinem 25-Fragen-Katalog unter Druck gesetzt hatte. Der Rosenkrieg in der bayerischen Koalition tobt also vorerst weiter, und bei allen Beteiligten wächst die Ratlosigkeit, wie er jetzt noch beigelegt werden kann, bevor der Schaden für Bayern noch gewaltiger wird.
Aiwanger hat, seit die „Süddeutsche Zeitung“ den Skandal zu einem krummen Zeitpunkt direkt vor der Wahl publik gemacht hat, in der Bevölkerung viel Zuspruch erhalten. Das hat bei ihm und seinen Freien Wählern den Glauben genährt, man könne sich durch die Sache irgendwie durchmogeln und am Ende noch mit einem rauschenden Wahlsieg belohnt werden. Dafür spricht im Augenblick in der Tat manches. Doch ist und bleibt es eine riskante Wette. Ist der Rausch erst verflogen, droht auch den Freien Wählern ein Kater.
Georg.Anastasiadis@ovb.net