Die Senioren der US-Politik

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Mitch McConnell nuschelt kurz vor sich hin, dann starrt er sekundenlang geradeaus. Ein Reporter hat den US-Senator zuvor bei einer Veranstaltung in Kentucky gefragt, ob er 2026 zur Wiederwahl antreten wolle. Der 81-jährige Politiker bittet erst darum, die Frage zu wiederholen – bevor er abschweift und einfach nur schweigt. Eine Mitarbeiterin eilt zu ihm und fragt, ob er die Frage verstanden habe. Erst nach einer guten halben Minute fängt sich McConnell wieder, beantwortet schließlich zwei weitere Fragen – auch wenn er stockt und Schwierigkeiten beim Sprechen hat.

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass der Vorsitzende der Republikaner im Senat auf diese Art erstarrt. Bereits Ende Juli war es bei einer Pressekonferenz im Kapitol in Washington zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Laut CNN ist der Spitzenpolitiker im vergangenen Jahr zudem mehrere Male gestürzt. Das Video von McConnells Aussetzer kursiert derzeit überall in den Sozialen Medien. „Als Bürger der Vereinigten Staaten brauchen wir Vertreter, die körperlich und geistig in der Lage sind, das Amt auszuüben, für das sie gewählt wurden“, kommentiert ein Nutzer. „Dieser Mann kann wirklich weder das eine noch das andere. Es muss etwas getan werden.“

McConnell ist nicht der einzige Politiker, der wegen seines hohen Alters Sorgen in der US-Bevölkerung schürt. Der US-Kongress ist so alt wie nie zuvor: Während die Abgeordneten des Repräsentantenhauses durchschnittlich 58 Jahre alt sind, liegt das Alter der US-Senatoren im Schnitt sogar bei 65.

Etwa zwei Dutzend Senatoren sind 70 Jahre oder älter. McConnell ist mit 81 Jahren nur der viertälteste. Die 90-jährige US-Demokratin Dianne Feinstein ist die älteste Politikerin im Senat – Kollegen mussten sie kürzlich während einer Anhörung mehrfach dazu auffordern, mit „Ja“ oder „Nein“ abzustimmen. Mitglieder ihrer eigenen Partei forderten sie sogar dazu auf, ihren Senatssitz abzugeben – sie wirke zunehmend verwirrt.

Die 83-jährige US-Demokratin Nancy Pelosi, eine der mächtigsten Politikerinnen der USA, gab vergangenes Jahr den Vorsitz im US-Repräsentantenhaus wegen ihres hohen Alters ab – es sei „Zeit für eine jüngere Generation“.

Mit 80 Jahren ist auch Joe Biden der älteste Präsident in der Geschichte der USA – bei einer Wiederwahl wäre er am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. Zum Vergleich: Bill Clinton, der vor drei Jahrzehnten Präsident war, ist vier Jahre jünger.

Die Republikaner haben das hohe Alter des Präsidenten im Jahr 2020 sogar zum Teil ihrer Wahlkampagne gemacht – Rivale Donald Trump verpasste Biden den Spitznamen „Sleepy Joe“ (Schläfriger Joe) und spottete über seine Versprecher und Gedächtnislücken. Dabei ist der Ex-Präsident selbst 77, also nur drei Jahre jünger. Laut einer Umfrage der University of Chicago halten 77 Prozent der US-Amerikaner Biden für zu alt, um weitere vier Jahre im Amt zu bleiben – bei Trump ist es hingegen etwas mehr als die Hälfte.

Laut einer Analyse der „Washington Post“ wählt das Land zwar immer mehr jüngere Mitglieder in den Kongress: Im Schnitt seien die 86 Politiker, die Anfang dieses Jahres vereidigt wurden, zwischen 46 und 50 Jahre alt. Aber die ältere Generation dominiere immer noch den Kongress – und damit auch Debatten über Amtszeitbeschränkungen, Altersdiskriminierung und die Eignung zur Führung der Nation.

Präsidentschaftsanwärterin und Top-Republikanerin Nikki Haley erregte bei ihrem ersten Wahlkampfauftritt Aufsehen, weil sie „verpflichtende geistige Kompetenztests für Politiker über 75 Jahren“ forderte. Die 51-Jährige griff dabei vor allem Biden an. Nun drängte die Trump-Konkurrentin aber auch Mitch McConnell nach seinen Erstarrungen zum Rücktritt: Er müsse wissen, „wann es Zeit ist, zu gehen“. Generell bräuchte das Land „eine neue Generation von Anführern“.

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