München/Berlin – Vielleicht findet Friedrich Merz das Hofbräuzelt auf dem Gillamoos einfach einen Tacken gemütlicher als die Kneipen im Kiez. Vielleicht hat der CDU-Chef aber auch speziell ein Problem mit Kreuzberg. Mit dem Satz „Nicht Kreuzberg ist Deutschland – Gillamoos ist Deutschland!“ hat er sich in dem Berliner Stadtteil jedenfalls keine Freunde gemacht.
Erst vor wenigen Tagen, als Merz zur Fraktionsklausur ins Sauerland geladen hatte, schrieb er bei der Plattform X, früher Twitter: „Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Berlin-Kreuzberg. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in kleinen und mittleren Städten wie hier, im Sauerland.“ Und vor drei Jahren tönte er auf dem Politischen Aschermittwoch der CDU im thüringischen Apolda: „Das ist hier nicht Berlin-Kreuzberg, das ist mitten in Deutschland!“
Die vielen Attacken gegen Kreuzberg stoßen im Netz auf unterschiedliche Reaktionen – zwischen Belustigung und Verärgerung. „Wo kann ich die Staatsbürgerschaft für Republik Kreuzberg beantragen?“, witzelt zum Beispiel ein X-Nutzer. Andere sehen in Merz’ Aussage eher klassischen AfD-Jargon. „Friedrich Merz spricht nicht nur den 152 000 Kreuzberger*innen ab, ein Teil Deutschlands zu sein“, sagt die Bürgermeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne). „Er sagt Kreuzberg und meint in Wirklichkeit alle Orte mit Vielfalt.“
Kreuzberg ist nicht nur für bunte Kieze, Künstler, Kultur und Kneipen bekannt – sondern auch für einen hohen Anteil an Einwohnern mit Migrationshintergrund. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warf Merz den Versuch vor, die Gesellschaft „mit Populismus zu spalten“.
Der CDU-Politiker Helge Braun versuchte, die Aussage von seinem Parteikollegen zu retten: Die Ampel-Koalition mache sehr viel Politik für städtische Regionen mit einem Menschenbild, das vielen Menschen Sorgen mache. Viele in ländlichen Räumen fühlten sich nicht mitgenommen. Als Beispiele nannte Braun die Cannabis-Legalisierung oder die freie Wahl des Geschlechts. Dies könne die CDU so nicht mittragen.
Bürgermeisterin Herrmann gab sich mit der Stadt-Land-Erklärung nicht zufrieden – und ging zum Gegenangriff über: „Auch im Sauerland sind mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs als mit dem Privatjet“ – eine Anspielung darauf, dass Merz oft mit dem eigenen Flugzeug reist. Dann fügte sie hinzu: „Für den Parteivorsitzenden einer deutschen Partei ist das eine unwürdige Aussage.“
Von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (ebenfalls CDU) gab es dazu zunächst wenig. Seine Sprecherin sagte nur: „Wir mögen Kreuzberg, und Deutschland, und das Sauerland, und Gillamoos. Und ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut.“
Bei all der Abneigung gegen den Berliner Stadtteil hat der Sauerländer jedenfalls Glück gehabt: Denn das Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstraße 5 liegt gerade so noch in Berlin-Mitte – Kreuzberg beginnt erst ab Hausnummer 6. kab/dpa