Bharat statt Indien

Der Balance-Akt wird zum Allein-Akt

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

Es mag nach Wortklauberei klingen: Was tut es zur Sache, ob ein Land Indien oder Bharat heißt? Beide Begriffe können auf Hindi schon lange austauschbar verwendet werden. Sie finden sich sogar zusammen in indischen Pässen. Dass nun aber die „Präsidentin von Bharat“ die führenden Wirtschaftsnationen zum G20-Gipfel einlädt, ist ungewöhnlich – und hat vor allem Signalwirkung.

Traditionell hat Indien eigentlich die Rolle einer zurückhaltenden Ausgleichsmacht: In der internationalen Ordnung will das Land niemandem auf die Füße treten. Das war schon während des Kalten Krieges so, als Indien die Bewegung der Blockfreien Staaten gründete, die weder mit der Sowjetunion noch mit den USA sympathisieren wollte. Auch jetzt balanciert Indien zwischen Ost und West: hier Gas-Geschäfte mit Putin, da Militärübungen mit Washington. Doch der Staat wird selbstbewusster: Als bevölkerungsreichstes Land ist Indien auf dem Weg zur wirtschaftlichen Supermacht, provoziert China im Grenzkonflikt, überholt Russland bei Mond-Projekten – und legt nun womöglich den Namen „India“ ab, den die Briten vor langer Zeit einführten. Premier Narendra Modi will Indien nicht nur von seiner kolonialen Vergangenheit distanzieren. Er will das Land als starken, unabhängigen Player auf der globalen Bühne positionieren.

Kathrin.Braun@ovb.net

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