Neue Seidenstraße

Der Westen ist nicht der Nabel der Welt

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

Wer in China eine Weltkarte ausklappt, kann länger nach Deutschland suchen: Im Zentrum liegt der Pazifik, umrahmt von Asien, Australien und Nordamerika. Europa findet man klein am linken Kartenrand. Manchmal vergisst man das hierzulande: Dass nicht jeder den Westen als Nabel der internationalen Politik betrachtet. Die EU streitet seit Jahren über Beteiligungen an der Neuen Seidenstraße – China schert sich aber kaum darum, ob sich etwa Italien von dem Projekt abwendet oder nicht.

Die Supermacht hat knapp 150 Partnerländer, vor allem im globalen Süden. Fast alle afrikanischen Staaten sind dabei. Und während der Westen mit Afrika vor allem Krisen, Konflikte und Katastrophen assoziiert, sehen Staaten wie China vielmehr eine immer jünger werdende Bevölkerung, die besser gebildet sein wird als vorige Generationen. Auch Russland sieht dieses Entwicklungspotenzial und baut in Afrika seinen Einfluss aus. In Mali etwa wehen nicht überall russische Flaggen, weil man den Krieg gegen die Ukraine unterstützt – sondern weil dort russische Söldner im Anti-Terror-Kampf mitmischen. Ohnehin ist auf einem Kontinent, der gerade in Gabun den neunten Putsch seit 2020 durchlebt hat, das Interesse an einem Krieg in Europa eher gering.

Mittelfristig ist der Kontinent nicht nur Rohstofflieferant, sondern auch Produktionsstandort und Absatzmarkt für deutsche Firmen. Auch die Energiewende funktioniert nur mit Afrika. Aber erst, wenn wir selbst unsere Attitüde hinterfragen.

Kathrin.Braun@ovb.net

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