„Ich werde mit Dreck beworfen“

von Redaktion

VON ANN-BEATRICE CLASMANN UND JENS ALBES

Wiesbaden/Berlin – Nur einen Monat vor der hessischen Landtagswahl sieht sich die SPD-Spitzenkandidatin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, mit einem Vorwurf aus dem vergangenen Jahr konfrontiert. Voreilig soll sie den damaligen Cybersicherheitschef entlassen haben. Dass sie den Abgeordneten im Innenausschuss dazu bisher nicht persönlich Rede und Antwort stehen will, skandalisiert die Opposition im Bundestag. Doch auch aus den Reihen der Koalitionspartner ist vereinzelt Kritik zu hören – vor allem, als Faeser gestern zum zweiten Mal innerhalb einer Woche nicht persönlich bei einer Sitzung des Innenausschusses in Berlin zum Thema erscheint.

Hessens CDU betont, die Wähler „haben ein Recht darauf zu erfahren, wer zur Wahl steht, und der Deutsche Bundestag hat den Auftrag, die Regierung zu kontrollieren“. Beides verhindere Faeser. Sie müsse aufklären und „nicht weiter abtauchen“.

Aufgetaucht ist die Ministerin dann gestern Nachmittag, allerdings nicht im Ausschuss, sondern im Plenum des Bundestages – wo sie in ihrer Rede zum Etat ihres Ministeriums für das kommende Jahr zum Gegenschlag ausholt. „Ja, es stimmt leider, in diesem Haushalt geht es viel ums Sparen. Was wir uns aber vor allem sparen sollten, ist Theaterdonner. Ich verstehe ja, dass sie in den kommenden Wochen alles tun werden, um mich mit Dreck zu bewerfen“, sagt Faeser.

Es geht um den Vorwurf der Union, die 53-jährige Juristin habe den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, 2022 vorschnell von seinem Posten abberufen. Anschließend habe sie dann krampfhaft versucht, dies zu rechtfertigen.

Offenbar war die Ministerin mit dem, was die Abteilung ihres Hauses über Schönbohm zusammengetragen hatte, unzufrieden. Sie hatte angeregt, noch einmal gründlicher zu suchen – das geht aus einem internen Vermerk aus dem Bundesinnenministerium hervor, den die „Bild“ veröffentlicht hat. Konkrete Hinweise darauf, dass sie den Verfassungsschutz regelrecht auf Schönbohm angesetzt habe, sind aber nicht aufgetaucht. Die Ministerin betont nun am Rednerpult im Plenum, es seien „keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen gegen Herrn Schönbohm eingesetzt worden“.

Bevor Schönbohm seinen Posten verlor, hatte sich im Oktober 2022 die Satiresendung „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann unter dem Stichwort „#cyberclown“ mit dem Behördenleiter beschäftigt. In der Sendung wurde Schönbohm eine zu große Nähe zu einem Verein für Cybersicherheit angelastet – dessen Präsident habe nach Ansicht aus Sicherheitskreisen lange kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt, was bestimmte Russland-Kontakte angeht.

Schon im Herbst 2022 war die Abberufung Schönbohms von politischen Gegnern scharf kritisiert worden. Dass das Thema wieder hochkocht, hat mit einer nun erhobenen Schadenersatz-Klage Schönbohms zu tun. Der ist zwar inzwischen Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und damit beruflich abgesichert. Doch Schönbohm ging es von Anfang an auch um seinen Ruf. Und darum nachzuweisen, dass das Bundesinnenministerium ihm gegenüber seine beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verletzt habe.

Der Fall wird es der Bundesinnenministerin vermutlich erschweren, die Staatskanzlei in Hessen zu erobern. Schon seit fast einem Vierteljahrhundert regiert die CDU in der einstigen roten Hochburg Hessen, seit nahezu zehn Jahren zusammen mit den Grünen. Der SPD-Auftakt beim Stimmenfang in Hessen war bereits vergangenen Sonntag mit Faeser und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Auf die Affäre Schönbohm angesprochen, sagt der Generalsekretär der SPD Hessen, Christoph Degen: „Das spielt überhaupt keine Rolle für unseren Wahlkampf. Vielmehr sagt es einiges über die CDU aus, die sich offensichtlich für keine Schlammschlacht zu schade ist.“

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