Alte Bekannte im Hessen-Wahlkampf

von Redaktion

VON CHRISTIANE WARNECKE

Wiesbaden/Berlin – Es sind nur noch vier Wochen bis zur Landtagswahl in Hessen. Und doch hat der Wahlkampf noch nicht so richtig Fahrt aufgenommen. Das ist zum Teil der Ferienzeit geschuldet, die erst vor wenigen Tagen zu Ende ging. Es mangelt aber auch an zündenden landespolitischen Themen. Hinzu kommt, dass diesmal drei Kandidaten gegeneinander antreten, die sich gar nicht als Gegner sehen, sondern als Wettbewerber, wie sie immer wieder betonen.

Kein Wunder, koalieren doch zwei von ihnen noch gemeinsam in Hessen. Und die Dritte im Bunde regiert zusammen mit den Grünen in der Berliner Ampel.

CDU-Ministerpräsident Boris Rhein, sein Koalitionspartner und Herausforderer Tarek Al-Wazir (Grüne) und die SPD-Anwärterin auf das Spitzenamt in Hessen, Nancy Faeser, sind zugleich langjährige politische Weggefährten. Mit Anfang 50 sind alle drei fast gleich alt und pflegen bisweilen auch freundschaftliche Verbindungen. So war Tarek Al-Wazir zu Gast bei Faesers Hochzeit und auch Boris Rhein stellt einen herzlichen Umgang mit der Bundesinnenministerin zur Schau.

Die Hessen dürfen also gespannt sein, ob in den nächsten Wochen noch ein echter Wahlkampf entbrennt – vielleicht ist ja der Ärger um Faesers Umgang mit dem geschassten BSI-Chef Arne Schönbohm der Startschuss für härtere Auseinandersetzungen. Doch CDU-Kampagnen wie einst unter Roland Koch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft oder mit dem Slogan „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen“ sind mit Rhein an der Spitze kaum denkbar. Zu erwarten ist eher ein Wahl-Wettbewerb, der sehr stark von der Bundespolitik geprägt sein wird.

Ein Themenfeld, das für Nancy Faeser nach eineinhalb Jahren an der Spitze des Bundesinnenministeriums ein Heimspiel ist, könnte man meinen. Doch ihre Rolle im Berliner Kabinett ist zugleich eine Bürde für die 53-Jährige, steht die Politik der Ampel doch stark in der Kritik. Und Faesers neue Härte in der Asylpolitik wird von vielen als Wahlkampfmanöver eingestuft, um ihre eingeschränkten Profilierungsmöglichkeiten in Hessen zu kompensieren. Das Thema jedenfalls bewegt viele.

Trotz geringerer Präsenz im Land als ihre beiden Wettbewerber kann die Sozialdemokratin aus Schwalbach am Taunus neben ihrer inzwischen bundesweiten Bekanntheit auch auf ihre tiefe Verwurzelung in der hessischen Landespolitik und in der Kommunalpolitik bauen. Nancy Faeser wurde in eine SPD-Familie hineingeboren. Ihr Vater war bis 2002 Bürgermeister ihrer Heimatstadt. Auch ihr Ehemann ist SPD-Kommunalpolitiker. Bei ihrer Nominierung als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl betonte sie: „Mein Herz ist in Hessen“. Im Oktober möchte Faeser nun Hessens erste Ministerpräsidentin werden. Das wahrscheinlichste Szenario dafür wäre auch hier die Bildung einer Ampel mit Grünen und FDP.

In allen Umfragen liegt die CDU allerdings bislang deutlich an der Spitze. Und natürlich möchte Ministerpräsident Boris Rhein sein Amt verteidigen. Das könnte allerdings schwierig werden, da die AfD in Umfragen erstarkt und die Grünen – im Sog der Bundespolitik – schwächeln.

Eine Entwicklung, die auch den Grünen-Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir schwer belastet. Der Offenbacher mit jemenitischen Wurzeln galt wiederholt als Hessens beliebtester Politiker und machte sich als Wirtschaftsminister einen Namen. Er führte seine Partei 2014 in das erste schwarz-grüne Bündnis in einem deutschen Flächenland und schüttete an der Seite des früheren CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier Gräben zu, die im Landtag zuvor unüberwindbar schienen.

Mit Erfolgen, aber ebenfalls mit Misserfolgen umzugehen, weiß auch der CDU-Amtsinhaber Boris Rhein. Nach seinen politischen Anfängen in der Frankfurter Stadtpolitik wechselte der Jurist 2009 in die Landespolitik. 2012 wollte Rhein, der mit seiner Frau und zwei Söhnen in Frankfurt lebt, dann Oberbürgermeister seiner Heimatstadt werden – und scheiterte krachend. Der zuvor weitgehend unbekannte Peter Feldmann (SPD) gewann überraschend die Wahl. Doch Rhein schaffte es – zehn Jahre nach dieser Schmach –, Volker Bouffier als hessischer Ministerpräsident zu beerben.

Artikel 9 von 11