Es wäre eine „wahnsinnige Kraftanstrengung“

von Redaktion

Eigene Partei oder doch nicht? Sahra Wagenknecht legt sich öffentlich weiter nicht fest

Berlin – Zumindest die „Bild“- Zeitung ist sich schon ganz sicher: „Die Wagenknecht-Partei kommt!“ Der entsprechende Bericht sorgte am Sonntag für einigen Wirbel. Auch wenn die Linken-Politikerin selbst sich weiter nicht zu einer Parteigründung äußern will. „Bis Ende des Jahres fällt die Entscheidung“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Zeitung, die unter Berufung auf anonyme Vertraute dennoch berichtete, die Gründung sei bereits beschlossen: Es werde nach dem 8. Oktober, dem Wahltag in Bayern und Hessen, eine neue Partei geben.

Auch nach Veröffentlichung des Textes blieb Wagenknecht bei ihrer Version. Mehrere Vertraute aus ihrem Umfeld sagten am Wochenende einhellig, es gebe keinen neuen Stand. Sobald die Entscheidung gefallen sei, werde sie öffentlich gemacht.

Die frühere Chefin der Linken-Bundestagsfraktion liebäugelt seit Monaten mit der Gründung einer Konkurrenzpartei zur Linken. Mit ihrer Partei und den Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan hat sie sich in einem Richtungsstreit entzweit. Der Linken wirft sie vor, sich von den Interessen ihrer Kernklientel, der Geringverdiener und einfachen Menschen, entfernt zu haben.

Dem „Tagesspiegel“ sagte Wagenknecht: „Viele fühlen sich von keiner Partei mehr vertreten und wählen aus Verzweiflung AfD. Ich fände es gut, wenn diese Menschen wieder eine seriöse Adresse hätten.“ Eine Parteigründung sei aber „eine wahnsinnige Kraftanstrengung“, darüber könne nicht eine einzelne Person entscheiden. Ihr 2018 gestartetes Projekt „Aufstehen“ sei nicht gut vorbereitet gewesen und trotz großer Resonanz nach kurzer Zeit zusammengebrochen.

In den vergangenen Tagen hatte sich Wagenknecht mehrfach mit eigenen Positionen zu Wort gemeldet und zum Beispiel die Milliardenhilfen für die Ukraine und das Gebäudeenergiegesetz attackiert. Beides kritisierte sie als Belastung für die Bürger. „Viele Menschen wünschen sich notwendige Veränderungen, wollen aber nicht, dass alles auf den Kopf gestellt wird“, erläuterte Wagenknecht. „Sie wollen an ihren Werten und ihrer Kultur festhalten.“ Dabei nannte sie Anstand, Ehrlichkeit, Mitmenschlichkeit, Wertschätzung von Fleiß, kein Ausnutzen staatlicher Leistungen. „Das gilt alles als konservativ, aber wenn solche Werte bröckeln, funktioniert eine Gesellschaft nicht mehr.“

Wagenknecht machte deutlich, dass sie sich selbst weiter als linke Politikerin versteht – was Teile ihrer Partei bestreiten. Sie setze sich für jene ein, „die nicht aus wohlhabenden Familien kommen, für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen“. Sie erneuerte ihre Kritik an „urbanen Besserverdienern“ mit Wärmepumpe, Bio-Einkauf und Elektro-Zweitauto. „Wenn aber aus diesem Milieu auf Menschen herabgesehen wird, die sich das alles nicht leisten können und ihr Schnitzel bei Aldi kaufen, hat das mit einer linken Perspektive nichts zu tun.“

Wagenknechts Partei hätte offenbar durchaus Potenzial. Das Forsa-Institut hatte im August ein Potenzial von 18 Prozent ermittelt. Am ehesten wäre die Wahl einer „Wagenknecht“-Partei für die Anhänger der Linken und der AfD denkbar. Für die Linke könnte dies also zur existenziellen Bedrohung werden.

Artikel 1 von 11