München – Aus den Boxen dröhnt „Legendary“, und das gefällt Markus Söder. Im Takt schwingt er die geballte Faust beim Einmarsch in den Saal. Auf der Bühne streckt er dann den Daumen in die Luft, nickt anerkennend, die Musik läuft minutenlang. „Legendary“ – so empfängt die Junge Union den CSU-Vorsitzenden zu seiner Rede bei der Landesversammlung in Bayreuth. „Wir werden es allen zeigen“, heißt es im US-Song.
Es klingt nach Kampf – und Trotz. Die Lage ist ja alles andere als legendär. In den Umfragen ist die CSU auf 36 Prozent gesunken, also unter den historischen Tiefpunkt, den Söder 2018 mit 37,2 Prozent erreichte, das waren damals satte minus zehn Punkte. Berliner Ohnmacht, Aiwanger-Querelen in Bayern, das alles bei angelaufener Briefwahl – da werden alle Gesten in der Partei genau beobachtet. Das Signal der JU, die zumindest nominell mit 20 000 Leuten in der CSU eine große Rolle spielt: Solidarität – Jubel und „Söder-olé“-Rufe, dazu ein gut 100 Meter langes Hurra-Transparent.
Falls es gut läuft für Söder, setzt das den Ton für die kommenden Wochen. In der CSU wachsen die Sorgen vor einer Wahlklatsche. Vielen galten 40 Prozent als Messlatte für den Chef, seinen Unterstützern zumindest die 37, nun liegt er darunter. Je weniger darüber gesprochen wird, je legendärer er angefeuert wird, desto besser für ihn.
Bisher wirkt es so, als könne die Unterstützung bis zum Wahltag am 8. Oktober halten. Die CSU, so brutal sie nach Wahlen ihr Führungspersonal abräumen kann, ist auch gut darin, vorher die Hacken zusammenzuknallen. Es fällt auf, wie sich mögliche Kritiker disziplinieren. Die JU, die 2017 entscheidend zu Seehofers Sturz beitrug und stets ein paar Grantler in den eigenen Reihen parat hätte, äußert null Zwischentöne zu Söder. Dass es am Wochenende in Bayreuth knirscht, dass JU-Chef Christian Doleschal mit nur 88 Prozent wiedergewählt wird, liegt an kleineren internen Personalfragen.
Schon nach der Entscheidung vor einer Woche, Aiwanger in der Flugblatt-Affäre nicht zu feuern, hatten sich Kritiker zurückgehalten. Nach wenigen Minuten verschickte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (die Aiwanger keinen Meter über den Weg traut) Lob-SMS für die Entscheidung. Die Ex-Parteichefs Theo Waigel und Erwin Huber verfassten einen Aufsatz, sie preisen den Entschluss und rügen Aiwanger („unbegreifliche Fehlleistung“). Parteivize Manfred Weber argumentiert ähnlich. Dass er Söders frühe Festlegung auf eine Koalition mit den Freien Wählern für falsch hält, sagt er nicht mehr öffentlich.
Und: Sogar Erzfeind Horst Seehofer selbst meldet sich aus dem Ruhestand noch mal zu Wort, fast ohne direkte Kritik an Söder. Im „Spiegel“-Interview am Wochenende deutet er nur Unterschiede im Stil an. „In meiner Zeit haben diese Dinge da, Fotos und Internetdiskussionen und Kochbücher, keine Rolle gespielt.“ Dafür lässt er sich nicht auf Witzeleien über den Wahlkampf-Slogan („Unser Land in guter Hand“) ein. „Mein Gott, jeder hat seinen Stil, seine Themen“, sagt Seehofer nur. Ihm habe seinerzeit Erwin Huber „ständig in die Suppe gespuckt“, das wiederhole er bei Söder nicht.
Wie lange hält die Ruhe? In seiner JU-Rede spricht Söder von einer „Fieberkurve“ der Umfragen und räumt ein, es seien „turbulente Wochen“ gewesen. Manche seien „verdrossen und frustriert“. Es gehe am 8. Oktober nicht um die Zukunft eines Bayern, sondern aller 13 Millionen. „Net zaghaft, net mutlos“ sein, bittet er die Mitstreiter.
Zwei wichtige Wegmarken hat Söder im September vor sich. Morgen kommt der BR-„Bayerntrend“. Vor vier Monaten hatte die CSU 39 Prozent. Mit Söders persönlicher Arbeit waren 55 Prozent zufrieden. Am 23. September steht dann der CSU-Parteitag in München an. Ein Tag nur (aus Kostengründen), dafür mit Friedrich-Merz-Auftritt und der Neuwahl des kompletten Parteivorstands. Auch Söder steht dann zur Wahl.
Dass er einen Dämpfer abkriegt, weniger als die 87,6 Prozent vom letzten Mal, ist unwahrscheinlich. Eher findet der „Legendary“-Liedtext der JU wieder Anwendung. „Wir werden Legenden sein“, heißt es: „Wir können nicht mehr umkehren.“