Ein bisschen Rückendeckung aus Wien

von Redaktion

Kanzler Nehammer heute in München: Mit Söder will er den Druck in der Asylpolitik erhöhen

München – An seinen Antrittsbesuch in Wien denkt Markus Söder nicht restlos begeistert zurück. Alles war fertig geplant an jenem 24. Februar 2022, Gespräche, festlicher Lunch mit dem Kanzler, größerer Medien-Tross. Doch als Söders Zug am Morgen in München losrollte, interessierte sich plötzlich niemand mehr für die Reise – es war der Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, ein neuer Krieg erschütterte Europa.

Für Söder blieb nur ein verkürztes Reiseprogramm, Gastgeber Karl Nehammer rang sich nach mehreren Krisentelefonaten doch ein paar Minuten für einen gemeinsamen Auftritt in Wien ab. Ergebnis: keines. Man kann bisher nicht vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft erzählen. Das Treffen war aber der Start einer soliden Arbeitsbeziehung. Heute nun wird sie mit dem Gegenbesuch vertieft: Der Kanzler reist nach München und besucht den Ministerpräsidenten. Feierlicher Empfang, Gästebuch, Vier-Augen-Gespräch und sogar Teilnahme an der Kabinettssitzung.

Der Besuch hat viele Facetten. Offiziell ist das ein Regierungstermin, hat nichts mit den konservativen Parteien ÖVP und CSU zu tun. Oder gar mit der nahenden Wahl. Nehammer hat eh nicht die Strahlkraft seines Vorgängers Sebastian Kurz. Stattdessen kämpft der Kanzler in Wien selbst gegen dramatisch unschöne Umfragewerte. Auf nur noch 22 Prozent kommt die ÖVP in einer aktuellen Umfrage, rutscht hinter SPÖ (23) und FPÖ (30 Prozent). Der grüne Koalitionspartner hat nur 10 Prozent. Die Lage ist so verzwickt, dass in Österreich in den letzten Tagen sogar heftig über ein Kurz-Comeback spekuliert wurde. Angesichts der Freunderlwirtschaft-Vorwürfe und der laufenden Anklage gegen Kurz ist das zwar aktuell sehr unwahrscheinlich, sagt aber einiges über die Unruhe in Nehammers Volkspartei aus.

Inhaltlich gibt es zwei große Themen. Der Transit-Streit zwischen Deutschland und Österreich – vor allem: Bayern und Tirol – ist weiterhin ungelöst. Die Anwohner im Inntal leiden unter der Verkehrslawine; die Transportbranche unter der schikanösen Blockabfertigung von Lkw auf Tiroler Seite. Bewegung gibt es kaum. Sogar EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte im Juli nach einem Treffen mit Söder, Wien habe ihre Vermittlungsversuche „leider“ abgeblockt. Ob sich Nehammer nun mit leeren Händen nach München wagt? Kenner sagen: durchaus möglich.

Dass er seinen Innenminister Gerhard Karner mit nach München nimmt, weist auf ein anderes Thema hin: Migration. Söder und Nehammer wollen gemeinsam auf einen verschärften Kurs in Berlin dringen. Die CSU fordert von der Bundesregierung die zugesagte Rückführungs-Offensive ein, verlangt endlich Abkommen mit Ländern und die Ausweisung weiterer „sicherer“ Herkunftsstaaten. Zudem wächst in München der Ärger über steigende Verfahrensdauern beim knapp besetzten Asyl-Bundesamt BAMF.

Österreichs härterer Asyl-Kurs, den die ÖVP trotz Koalition mit den Grünen durchsetzt, gilt einigen in der CSU dabei als wegweisend. Bei unseren Nachbarn sanken die Zahlen im ersten Halbjahr um 30 Prozent, in Deutschland steigen sie stark. Unter Nehammer und Karner gibt es viel schnellere Asylverfahren – teils in 72 Stunden –, eine höhere Abschiebequote und strikten Grenzschutz mit 300 Drohnen, Hightech und Polizisten, die schon vorgelagert in Ungarn, Serbien und Nordmazedonien die dortigen Kollegen bei Kontrollen unterstützen. Österreich hat zudem bereits Migrationsabkommen – etwa mit Indien – geschlossen. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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