Wie lange dauert die „Fieberkurve“?

von Redaktion

VON MIKE SCHIER UND LEONIE HUDELMAIER

München – Markus Söder hat ein neues Lieblingswort: „Fieberkurve“. Der Ministerpräsident benutzt es derzeit beinahe täglich. Denn beinahe täglich werden auch neue Bayern-Umfragen veröffentlicht, die den Freien Wählern von Hubert Aiwanger nach der Flugblatt-Affäre ein dickes Plus bescheren. Gestern reihte sich nun der „Bayerntrend“ des Bayerischen Rundfunks ein. Die Erhebung von Infratest wird unter den Politprofis im Landtag als die belastbarste und genaueste angesehen. Darin steigen die FW im Vergleich zur letzten Erhebung im Mai um fünf Punkte auf 17 Prozent – und die CSU fällt um drei auf 36 Prozent. Vergangene Woche habe es eine „Fieberkurve von Solidarität des Ereignisses der letzten zwei Wochen“ gegeben, sagt Söder dazu.

Keine Frage: Die Veröffentlichungen über Aiwangers Schulzeit haben viel durcheinandergewirbelt. Und selbst die Insider hätten manches so nicht erwartet – zum Beispiel, dass die FDP gar nicht von den Debatten innerhalb der bürgerlichen Koalition profitiert und sogar noch fällt. Auf drei Prozent. Dabei hatten die Liberalen so darauf gesetzt, dass sie mit ihrem Kurs der Vernunft und Mäßigung in der insgesamt aufgewühlten Stimmung profitieren könnten. Spitzenkandidat Martin Hagen klingt zunehmend alarmiert: „Die Umfrage ist ein Weckruf für alle unentschlossenen Wähler: Wer die Mitte stärken und eine liberale Partei im Landtag haben will, muss am 8. Oktober FDP wählen.“

Die Frage, die sich alle stellen, lautet: Wie dauerhaft ist der aktuelle Trend? Markus Söder versucht es mit demonstrativer Gelassenheit. „Aus meiner Sicht ist relativ klar: Wenn Sie die Kompetenzwerte der Person des Ministerpräsidenten und die Kompetenzwerte der politischen Parteien sehen, dann erleben Sie eine sehr sehr deutliche Stärkung und großen Zuspruch zu meiner politischen Familie, also zu meiner Partei.“

Tatsächlich ist auffällig, dass Aiwangers persönliche Werte trotz des deutlichen Plus seiner Partei unverändert bleiben. Weiterhin sind 48 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden und 44 Prozent unzufrieden. Söder legte um einen Prozentpunkt auf 56 Prozent Zufriedenheit zu. Beide haben sehr hohe Bekanntheitswerte – Söder kennen 98 Prozent der Befragten, Aiwanger jetzt schon 92 (bei der letzten Befragung im Mai waren es noch 87 Prozent).

Die Opposition kann da nicht mithalten, auch wenn Katharina Schulze inzwischen 61 Prozent der Bürger ein Begriff ist. Es folgen Florian von Brunn (SPD, 42 Prozent), Ludwig Hartmann (Grüne, 40 Prozent), Martin Hagen sowie die AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner mit je 33 Prozent. Den zweiten AfD-Spitzenmann Martin Böhm kennt sogar nur jeder vierte Befragte.

Interessant ist, wie die Bayern die Affäre um Aiwanger beurteilen: Gut zwei Drittel (68 Prozent) halten laut „Bayerntrend“ Söders Entscheidung, Aiwanger nicht zu entlassen, für richtig. Ein knappes Viertel (24 Prozent) erachtet sie als falsch – dass die Grünen und die SPD in der Umfrage zusammen ebenfalls auf 24 Prozent kommen, dürfte kein Zufall sein. Deutlich weniger, nämlich 53 Prozent, halten übrigens Aiwangers Erklärungen zum Flugblatt für glaubwürdig – 35 Prozent nicht.

Aiwanger sprach gestern erneut von einer „Schmutzkampagne“ gegen ihn. „Die Menschen haben da ein sehr feines Gespür, was ist ehrliche Politik und was ist eine Schweinerei“, sagte er im BR. Er erfahre gerade viel Unterstützung. „Wenn uns diejenigen alle wählen, die uns aktuell Zuspruch geben, wird das ein super Wahlergebnis.“

Bedeutung für den Wahlkampf könnten noch Verschiebungen bei der Themengewichtung erlangen. Im Mai hatte noch die Energie die überragende Rolle gespielt. Mit dem entschärften Heizungsgesetz verliert das Thema aber an Bedeutung. Klare Nummer eins sind nun Zuwanderung und Flucht – Tendenz stark steigend.

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